Samstag, 22. Februar 2025
Vortag unserer Wahlen
Tausend Milliarden
Falls die Wahl so ausgeht, dass ein Kredit (Sondervermögen) von 1 Billion politisch durchgesetzt werden kann – und zugleich der Wiederaufbau der Ukraine von westeuropäischen Konzernen geleistet wird, ist für letztere ein Riesengeschäft zu machen. Die Kosten für den Kredit werden erst für die nächste und übernächste Generation fällig. Sie sind also nicht unser Problem.
Noch interessanter ist die Überlegung, dass Trump nur eine Amtszeit hat. Sein Nachfolger könnte einer Kontrolle Russlands geneigter sein. Es geht also nicht nur darum, dass wir unseren zweiten Krieg gegen Russland gewinnen. Wir bereiten uns durch Hochrüstung auf einen möglichen dritten deutschen Krieg gegen Russland vor. Das unbekannte X in der Rechnung sind diejenigen US-Eliten, die nicht noch einmal Gut und Blut zugunsten deutscher Expansion opfern wollen. Sie lehnen das Risiko eines Weltkrieges ab.
Das eben verbindet Trump und Putin. Unterstützt wird diese Einschätzung von Peking, das zwar – wie die beiden anderen riesigen Flächenstaaten – einen Weltkrieg überstehen könnte, jedoch Frieden für seine Entwicklung bevorzugt.
Michael Molsner, 22. Februar 2025
Vormittag vor der Bundestagswahl
Sonntag, 16. Februar 2025
Vergleich von Kampfzielen
Entmündigt.
1813 forderte Ernst Moritz Arndt ein, was Napoleon den Deutschen versprochen, was Goethe für möglich gehalten hatte – den Zustand innerer und äußerer Entmündigung zu beenden. Die staatliche Einheit Deutschlands war herzustellen. Das Recht dazu hatten wir:
Was ist des Deutschen Vaterland?/ So nenne mir das große Land!/ So weit die deutsche Zunge klingt/ Und Gott im Himmel Lieder singt,/ Das soll es sein!/ Das, wackrer Deutscher, nenne dein!
Alle erklärten sich einverstanden. Achim von Arnim: Kein sel'ger Tod ist in der Welt,/Als wer vom Feind erschlagen...Zu Clemens Brentano, dem Wander- und
Dichterbruder, brach die Beziehung ab.
Im Volk kursierten Lieder, deren Verfasser unbekannt blieben: Wohlauf ihr Brüder, die Zeit ist da/ Die Zeit, sich als Mann zu bewähren,/ die Kette klirrt, die Knechtschaft ist nah,/ Laßt mutig uns gegen sie wehren;/ Wenn Vaterland, Freiheit man entbehrt,/ Bleibt diesem Leben ja doch kein Wert.
Es war die Massenmobilisierung der Entmündigten.
Entmündigung ist das Schlimmste, was man einem Menschen, einem Staat androhen kann. Als eine liebe frühere Freundin schrieb, es gebe keinen Frieden, solange der Irre in Moskau am Rad dreht, bin ich fürchterlich erschrocken. Aus dem Umkreis dieser Freundin wurde dann eine Entmündigung Gerhard Schröders gefordert, nämlich der Entzug der Bürgerrechte. Er hatte an seiner Freundschaft zu dem Irren in Moskau festgehalten.
Wer Irre nicht einsperrt, gefährdet alle – durch die Messerattacke von Magdeburg ist das sogar tagesaktuell. Bekanntlich wurde sie von einem Mann begangen, der psychiatrischer Beobachtung, wenn nicht Betreuung, bedurft hätte.
Die politische Dimension wird deutlich, wenn wir Theodor Körners Lieder ernst nehmen: Durch, Brüder, durch! Dies werde/ Das Wort in Kampf und Schmerz,/ Gemeines will zur Erde,/ Edles will himmelwärts!!... Durch! Dort ist's Vaterland!
Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;/ Es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heil'ger Krieg!!
In dem herrlichen Stück Prinz Friedrich von Homburg sagt die Geliebte des zum zum Tod verurteilten Prinzen: Das Kriegsgesetz, das weiß ich wohl, soll herrschen,/ Jedoch die lieblichen Gefühle auch.Die Franzosen haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit diesem Widerspruch beschäftigt, sie haben das deutsche Stück auf ihre Bühnen gebracht und die Titelrolle ihrem damals bedeutendsten jungen Schauspieler anvertraut: Gérard Philippe. Das tut man, wenn man sich der Realität zu stellen wagt: Dass man gerade von einer deutschen Invasionsarmee überwältigt wurde und sich nicht selbst befreien konnte, sondern fremde Hilfe brauchte.
War unsere große Stunde da, als England uns den Krieg erklärt hat? Galt es jetzt? Ging es um unsere letzte Chance, die staatliche Einheit zu sichern?
Viele dachten so. Sie sangen die Lieder Körners: Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenrot, / Willkommen dann, sel'ger Soldatentod!/ Du verkriechst dich in seidene Decken,/ Winselnd vor der Vernichtung Schrecken./ Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht!/ Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,/ ein deutsches Lied besingt dich nicht,/Und deutsche Becher klingen dir nicht...
Unsere Lage hat sich nicht geändert. Nach der rauschhaften Einheitsfeier durch frühe Siege fand der Zweite Weltkrieg uns abermals geteilt. Wieder stehen wir vor der Tatsache, die Hitler gegenüber den militärischen und wirtschaftlichen Eliten klar umrissen hat.
Deutschland ist zu klein, um sich gegen einen Überfall zu verteidigen. Als Landmacht braucht es ausreichend Raum, um zu manövrieren. Dieser ersetzt aber nicht die Knappheit an Ressourcen. Es reicht daher nicht, die benachbarten europäischen Staaten einzubinden. Russland benötigen wir sowohl als strategischen Raum wie als Quelle von Ressourcen. Und als Zugang zu den Weltmeeren! Die Ostsee, Danzig! Die Krim, Sewastopol! Alles unverzichtbar, nur – mit friedlichen Mitteln nicht zu bekommen.
Das Recht, Russland zu überfallen, liege in der Geisteskrankheit seines Anführers und der ihn umgebenden Clique, erfahren wir. Geisteskranke – wie schon erwähnt – sind zu entmündigen. Bekanntlich ging Hitler sogar noch weiter, er bestimmte die politischen Interessen nicht nur so, wie wir sie täglich erfahren, er sprach von den Russen als Tieren.
Das tut bei uns noch nicht jeder.
Nun stehen Tiere ja unter Schutz. Sie können Freunde sein, Hund, Pferd und Katze etwa, oder Nutztiere, dann kann man sie essen.
Sobald wir aber Menschen, russische oder andere, zu Tieren erklären, landen wir bei der Tatsache, dass wir sie zu Freunden weder haben noch sie essen wollen, sie daher zu vernichten sind. Eine andere Option hat sich bisher nicht gezeigt.
Wir sind eisern entschlossen, den aktuellen heiligen Krieg als Verteidigungskrieg zu bezeichnen und bis zu Ende durch!zuhalten. Die Kosten vererben wir den folgenden Generationen. Sie seien nicht unser Problem. Zumal wir nach der Ausweitung unserer Macht bis wenigstens zum Ural über vielerlei Sachwerte verfügen sollten.
Hitler entschloss sich, die Probleme seines Dritten, des dritten deutschen, Reiches, nachhaltig zu lösen. Er überfiel Polen. Der britische Premier Chamberlain musste zurücktreten. Aus dem Hintergrund plädierte er für Friedensverhandlungen mit Hitler. Der Außenminister in Churchills Kriegskabinett war unbedingt dafür; man könne an gemeinsame Interessen anknüpfen.
Dieser Standpunkt erschien realistisch. Hitler beherrschte damals bereits große Teile Europas und stand mit weit überlegener Macht vor der Kanalküste.
Der britische König fragte seinen Premier Churchill, was er zu dem Angebot meine. Churchill antwortete: Nationen, die kämpfend unterliegen, erheben sich wieder. Nationen, die sich unterwerfen, gehen unter.
Vor dem Unterhaus hielt Churchill dann seine große Rede: We shall never surrender! Wir werden uns nie ergeben. Und wenn der letzte Kämpfer bei der Verteidigung gegen die deutschen Landungstruppen am eigenen Blut erstickt ist, gehen wir nach Norden und kämpfen weiter.
Es ist eine der berühmtesten Reden der Neuzeit. Sie hallte weithin. Auch bis Berlin. Hitler hat sie beantwortet mit dem Versprechen, die Konsolidierung deutscher Landmacht bis zum Ural durch einen Sieg über England zu sichern.
Auch wir Heutigen versprechen Russland die sichere Niederlage und die Konsolidierung unserer Landmacht bis zum Ural. Es ist nicht dieselbe Politik, darauf bestehen wir mit größter Vehemenz. Wir seien Vorkämpfer von rechtsstaatlicher Demokratie, überall in der Welt erwarte man uns sehnsüchtig.
Beinahe überall gibt es Unterdrückte, in Afrika mit seinen enormen menschlichen und materiellen Ressourcen. In Hongkong, wo Minderheiten in einer Sicherheit leben, die ihnen keine Organisation von Widerstand gegen den Staat erlaubt.
Wir müssten nur endlich kommen, um zu ernten. Nicht nur Sachen, auch Dank. Schöne Mädchen würden an den Straßenrändern unseren siegreichen Truppen Blumen und Früchte reichen, alte Mütterchen in rührender Frömmigkeit für uns beten. Macht nur endlich Ernst!
Samstag, 1. Februar 2025
Kollegen
Kollege Ossietzky
Seit es überlieferte Zeugnisse menschlicher Kultur gibt, ist die Existenz von unguten Mächten erkannt worden. Sie wurden böse genannt. Oft ist das unleugbar in unserer Erfahrung mächtige Böse personifiziert worden. Eugen Drewermann, Theologe und Psychoanalytiker, weist die unterschiedlichen Gestalten des Bösen nach, die in unterschiedlichen Kulturen zur Unterscheidung vom Guten benutzt wurden.
Die Begriffe verändern sich, werden weitergegeben von Kulturkreis zu Kulturkreis und lassen Rückschlüsse auf deren Entwicklung zu.
Der Teufel ist eine bevorzugte Gestalt des Bösen und in vielen Sprachen präsent: Diable, diavolo, devil... Ausgerechnet der populärste Begriff, der sich von Deutschland aus über die zivilisierte Welt verbreitet hat, scheint nirgendwoher zu stammen. Jedenfalls kann Drewermann ihn nicht ableiten: Mephistopheles.
Unter diesem Namen ist der Teufel in Goethes Faust eingewandert und erscheint dort als Pudel, als fahrender Scholar, und später in wieder anderer Gestalt. Das ist charakteristisch für die teuflische, die böse Macht. Sie erscheint in stets neuen, unerwarteten Gestalten. Das Böse ist keine Persönlichkeit, wie oft und immer wieder geglaubt wurde, es ist eine allerdings furchtbare, zu fürchtende Macht.
Als Joseph Ratzinger noch Theologieprofessor war und nicht der Papst, der darauf achten musste, den Stand kirchlicher Lehrmeinung zu wahren, antwortete er auf eine Frage, ob der Teufel eine Person sei: Der Teufel sei nicht durch Persönlichkeit zu erkennen, sondern durch die Auflösung von Persönlichkeit.
Kulturmenschen wie Carl von Ossietzky, Herausgeber der regierungskritischen Zeitschrift Weltbühne, fürchteten nicht die Einschränkung ihrer bürgerlichen Freiheiten. Diese seien durch die Verfassung geschützt. Grausamkeiten, wie sie ihm dann im Konzentrationslager zugefügt wurden, hat sich niemand vorgestellt.
Kulturverrat mochte anderswo möglich sein, in Deutschland nicht.
Die Macht des Bösen wurde unterschätzt, weil es in der Erfahrung kultivierter Persönlichkeit auch die ausgleichende Macht des Guten gibt. Aber was ist zu erwarten, wenn Persönlichkeit sich auflöst?
Nach Erlass von Berufsverboten gegen jüdische Deutsche stand ein junger Mann jüdischer Herkunft bei einer Behörde um irgendeine wichtige Bescheinigung an. Der Mann hinterm Schalter stempelte emsig Formulare ab. Es war ein Schulfreund.
Beide erschraken. Der Bittsteller verriet keine frühere Beziehung oder gar Freundschaft. Die Situation konnte für beide gefährlich werden. Dann sagte der Schulfreund: Du musst schon verzeihen. Ich war fünf Jahre arbeitslos. Mit mir können sie alles machen.
Die Antwort ist deshalb so erschreckend, weil sie auf die Bedeutung des Überlebenswillens hinweist. Er kann Gehorsam erzwingen. Bei gutartiger Grundveranlagung aber werden nicht gleich die dunklen Mächte wirksam, von denen viel geschrieben und dargestellt ist.
Gestern fand ich im Ablagekasten einer Buchhandlung den Film Der Nachtportier mit Dirk Bogarde und Charlotte Rampling. Ich bin geneigt, von Fügung zu sprechen und nicht von einem Zufallsfund. Die furchtbaren Quälereien, die Bogarde als KZ-Offizier der jungen Charlotte antut, sind fast unerträglich anzusehen – aber das halte ich aus. So waren sie, die Nazis. Ich weiß es. Was mir aber fast das Herz zerreißen wollte, ich bekam Atemnot und tatsächlich, ja, das Herz tat mir weh, waren die wunderbaren Szenen aus der Wiener Aufführung der Zauberflöte, Stabführung Karl Böhm, Farb-Video, und dann diese Musik!
Menschen sind fähig, Mozarts Entdeckung der Liebe zu feiern, und fähig, Lust an der Tortur zu genießen. Dass der Scherge und sein Opfer sich während der Aufführung wiedersehen und die damalige Beziehung wieder aufnehmen, bedeutet für mich eine Erscheinung des Bösen. Persönlichkeiten lösen einander auf. Indem sie gemeinsam einander töten. Es gibt diese Lust, sie hat Namen.
Aber wenn sie nicht auf Einverständnis beruht, ist es das Loslassen der Teufelsmacht in uns. Uns dieser Tatsache zu stellen, fällt nur den Besten ein. Normal ist es, das Böse, Teuflische, anderen zuzuordnen. Eine Freundin schrieb mir jüngst: Gar nichts tun wir den Russen an.
Dass wir Russland mit Wehr und Waffen umgeben, wie schon einmal, ist in unserer öffentlichen Meinung ohne Opposition hinzunehmen. Wer russische Interessen kennenlernen will, findet sich ohne erlaubte Informationsquelle. Putin gilt als Erscheinung des Bösen. Trump auch, ihm wird von einem Kommentator in der New York Times hatefulness unterstellt, das bedeutet: Bösartigkeit. Der Kommentar ist vor zwei, drei Tagen veröffentlicht und bei mir archiviert. Amerikaner hätten ihn gewählt trotz seiner Bösartigkeit.
Zugleich wird darauf hingewiesen, dass Benjamin Franklin virtue (Tugend) forderte, nicht nur virtus (Tapferkeit). Bin einverstanden, Ben Fanklin war mein Einstieg ins amerikanische politische Denken. Ich war 22 Jahre alt und habe seinen Traum vom freien Bürger mitgeträumt.
Donnerstag, 30. Januar 2025
Unverdrossen
Kollegin Anne Frank
Anne Frank ist 1929 geboren, wäre zehn Jahre älter als ich jetzt. Eine Freundin machte mich anlässlich des Gedenkens an den Holocaust darauf aufmerksam, und ich erinnerte mich an den Besuch, den meine Frau und ich dem Anne-Frank-Haus in Amsterdam gemacht haben. Die Erinnerung stieg in mir auf, zusammen mit den Gefühlen. Und dass ich mir geschworen habe, Annes Vermächtnis zu achten, indem ich niemals Massenmorde und Hetze gegen andere Völker, Rassen, Religionen, Veranlagungen gutheiße.
Wie es meine Art ist, habe ich mich mit dem Gefühlsüberschwang nicht begnügt. Ich suchte das Buch heraus, das auf 800 Seiten Annes gesamten Nachlass enthält. An mancherlei konnte ich mich sofort erinnern, anderes entdeckte ich neu, so im Schöne-Sätze-Buch: „Wir würden alle gern in vollem Sommer enden, wenn Schönheit über den Rasen auf uns zuschreitet.“ Aus der Forsyte-Saga.
Strophen von Goethe hatte sie wortwörtlich aufgeschrieben. Aus dem „Egmont“ Klärchens Ängste um den Geliebten: „Freudvoll/und leidvoll/Gedankenvoll sein; Hangen und Bangen /in schwebender Pein; Himmelhoch jauchzend,/zum Tode betrübt; Glücklich allein/ Ist die Seele, die liebt,“ Februar 1944… Und alle Verse von Goethes „Gefunden“: Ich ging im Walde so vor mich hin – wusste oder spürte sie, dass es ein Liebesgedicht war und dass Christiane Vulpius gemeint war? Ich habe es spät in meinem Leben begriffen.
Bevor Anne Frank untertauchen musste, wohnte sie zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester von 1933 bis 1942 am Merwedeplein in Amsterdam-Süd. Sie verlebten hier eine glückliche Zeit, bis die Niederlande von Nazi-Deutschland besetzt wurden. Der Umzug in die Prinsengracht wurde unvermeidbar, wo ihr Vater ein Versteck vorbereitet hatte. Die Fotografie der Hollywoodschönheit Hedy Lamarr an der Wand hat mich zu Tränen gerührt. Ein Missverständnis, Anne wollte keineswegs nur schön werden, wie andere junge Mädchen, sondern auch so klug wie LaMarr.
Anne wollte beides, denke ich. Im April 1944 notiert sie: „…werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden? Ich hoffe es, ich hoffe es so sehr! Mit Schreiben kann ich alles ausdrücken, meine Gedanken, meine Ideale und meine Phantsasien.“
Sie setzt Standards für Journalisten, weckt Mut zur Wahrhaftigkeit und zu unseren Träumen. Ein ungeheurer Zorn auf ihre Mörder steigt in mir auf. Ich will ihn umsetzen in Unverdrossenheit bei der Verbreitung von erkennbaren Tatsachen.
Mittwoch, 29. Januar 2025
Alte Hüte, neue Empörung
Interessanter Einfall
Ich verdanke ihn meiner Frau. Sie beklagte heute, es sei in der vergangenen Nacht das langweiligste Fernsehprogramm gewesen, das sie jemals im Angebot gesehen habe. Alle und selbst Nuhr, den sie schätzt, hätten Trump geschmäht, als ob es kein anderes Thema gebe. Und sie berichtete mir, Nuhr habe den jüngeren Trump
zitiert, der – nach ihrer Erinnerung – etwa gesagt habe: Wenn du Macht hast und reich bist, kannst du jeder Frau an die Pussy gehen.
Nuhr fand, allein das kennzeichne Trump für alle Zeit; als widerlichen Typen, meint er wohl.
Ja, und dazu fiel mir nun etwas ein, das ich unerhört interessant und kolossal wichtig finde. Ich bitte um Beachtung, es ist nicht ironisch gemeint, sondern eine Wahrheit.
Dass Macht sexy sei, hat bereits Kissinger gesagt. Kennedy hat es gelebt und geheim gehalten. Bill Clinton haben seine Gegner in einer Honigfalle (Lewinsky!) scheitern lassen wollen – es ging bekanntlich daneben, er wurde mit mehr Stimmen als zuvor wiedergewählt. Es ist der Roland-Kaiser-Effekt. Je sexualisierter seine Schlagertexte, desto begeisterter seine Fans, auch und gerade die weiblichen!
Frauen mögen einen Mann, der spüren lässt, dass er sie begehrt, haben will, genießen will, von ihnen träumt und sie anschwärmt. „Wunderbar, wunderbar, diese Nacht
so sternenklar, und wir zwei sind ein Paar, das ist wirklich wunderbar.“
Wenn man noch weiter zurückgeht, zeigt sich, dass Macht und Reichtum in der Tat erotische Partner gewinnt. Edward VII., naja. Auch unter Schwulen ist das so, und unter Lesben, es gibt eine Biografie von Patricia Highsmith, nebenbei bemerkt.
Also diese ganze Erkenntnis ist es nicht und kann es nicht sein, die so empörend wirkt. Und doch ist die Empörung wohl echt und wird weltweit verbreitet. Was ist gerade jetzt bedeutend daran?
Die genannten angeblichen Übeltäter, bleiben wir bei Kissinger, an den erinnern sich manche noch, waren Elite und drückten sich gebildet aus. Trump sagte, was Kissinger gesagt hatte, aber er formulierte es in der Sprache der Prolls. Nicht wegen des Inhalts seiner Aussage, sondern wegen des Idioms einfacher Leute, der Sprache der „deplorables“ in den „fly-over-states“, diese waren von Trump auch mal Arschlochstaaten genannt worden. Eliten nennen diese Staaten nicht so, sie behandeln sie nur entsprechend.
Wichtig ist hier der Unterschied in der Ausdrucksweise, nicht im Inhalt. Und diese Differenz bedeutet, Eliten haben noch immer eine Scheißangst vor dem Proletariat. Sie fürchten sich vor den normalen Leuten, die Trump anspricht. Noch immer wirft die Oktoberrevolution von 1917 einen gewaltigen Schatten über die entwickelte Welt.
Es ist geschehen. „Duldet die Schmach nun länger nicht“, ist den Leibeigenen, Sklaven, auch Arbeitssklaven und Belogenen zugerufen worden! Sie haben die Stimme gehört. In der Erinnerung, wer weiß von wem, könnte sie Widerhall finden. Angst in den Redaktionen und Sendern, Angst!
Aber doch nicht vor mir. Drücke ich mich denn nicht gebildet aus wie Hilary Clinton und keinesfalls wie Donald Trump? Das ist nicht mein Duktus.
Michael Molsner
Samstag, 25. Januar 2025
Zurück in die Gotik
Heute früh hörte ich im Radio eine frische Frauenstimme berichten, sie habe aus einem dieser öffentlichen Gratisangebote ein Exemplar des Romans "Moby Dick" mitgenommen, weil sie das Buch noch nicht kannte, aber wusste, dass es sehr berühmt ist. Gleich der Anfang habe sie „gecatched“. Ich horchte auf. Weshalb hat der Anfang sie gefangen? Weil sie auch schon, wie Ismael, das Gefühl hatte, dass in ihrem Leben nichts mehr stimmt und nichts mehr geht wie geplant. Ismael heuert dann als Matrose an, die junge Frau hingegen...
Hab nicht mehr mitbekommen, was sie dann tut. Im Anschluss habe ich überlegt, was mich aktuell abgelenkt hat von Zeitläuften, die ich nicht mehr ertrage. Bei einem Walfänger, wie Ismael, heuere ich nicht an, und als Panzerfahrer in die Ukraine melde ich mich auch nicht - das ist etwas für die Tapferen der vorletzten Generation, von mir aus gezählt.
Was mich derzeit wieder einmal einfängt, ist ein Buch von Thomas Mann, das ich in viel zu jungen Jahren gelesen habe, als dass ich es damals verstanden hätte. Es ist das geschmähteste Buch des Kollegen. Er vermutet im Jahr 1917, dass die modernen Fortschrittler seiner Zeit ein klar formulierbares Ziel haben - das sie selbst nie eingestehen würden. Sie seien zutiefst bewegt von der Sehnsucht, weltweit ein neues Mittelalter heraufzuführen, eine Gotik diesseits von Renaissance, Reformation, Aufklärung. Man war geborgen im Haus des Glaubens. Niemand brauchte zu zweifeln, was wahr und richtig oder was "fake" und verboten sei. Man wusste und befolgte es. Das Risiko jeder Beurteilung fiel weg.
Ich dachte bei mir: Das ist es, was derzeit anscheinend alle wollen, die bei uns für Entscheidungen zuständig waren, sind, sein werden. Menschenrechte sind nicht das Problem. Verlangt ist, dass sie jederzeit überall so ausgelegt werden, wie wir es für angemessen (und nützlich) halten. Wer daran zweifelt, landet wie im Mittelalter auf einem Holzstoß; ist zwar als Metapher zu verstehen, doch auch heutigentages und unter uns Wahlberechtigten kann Zweifel an der Rechtgläubigkeit zum (bürgerlichen) Tod führen.
Mediale Hinrichtungen sind an der Tagesordnung, gelten als Ausweis der Seriosität. Öffentliche Zweifel sind nicht mehr zulässig. Wir dürfen über bestimmte Themen nicht anders sprechen, als uns durch Medien und Politik erlaubt ist. Versucht es und tragt die Folgen, wenn ihr euch sicher genug fühlt.
Ich selbst bin zu alt, um noch Fahnen zu hissen.
Michael Molsner
Donnerstag, 23. Januar 2025
Verrat am Kreuze
Das Kreuz verraten.
Gestern der deutsch-französische Tag brachte die üblichen Leerformeln. Tatsächlich ist die Allianz immer wieder gescheitert und musste auch scheitern – der Grund ist einfach zu erkennen. Frankreich ist stolz auf seine Geschichte, ohne deren dunkle Seiten zu leugnen, ganz im Gegenteil. Wir Deutschen wollen unsere Geschichte in einem Welteinheitsbrei begraben. Es ist „Verrat am Kreuze“, schreibt Thomas Mann. Dieses Wort hat mich getroffen.
Statt tausendjährige christliche Vergangenheit in unsere Zukunft hinein zu nehmen, erklären wir uns Deutsche zu Aufgeklärten. Aber es ist nicht wahr, dass wir diese Sorte Laizismus mit Frankreich teilen. Das Gegenteil ist richtiger.
In großartigen Romanen und Filmen hat Frankreich sich zu seinen christlichen Monarchen und Kriegshelden bekannt. Frankreichs Stolz auf seine Geschichte ist so groß wie deutsches Bedürfnis, Schuld nur als bewältigte erinnern zu dürfen.
Andere Völker und sogar Stämme sind stolz auf ihre besondere Geschichte. Erinnert sich jemand an die für mich kaum anschaubaren Filme, in denen US-Amerika den Vietnamkrieg und seine Folgen dargestellt hat? Es war ein fast schon verzweifelt wirkendes Bemühen um Wahrhaftigkeit. Es war die Auseinandersetzung mit einem verlorenen Krieg.
Für Frankreichs Bewältigung, und es war eine, des Algerienkrieges, nenne ich einen Film von vielen: „Die Frau des Leuchtturmwärters“. Italiens Bewältigung des Faschismus, Filme wie „Heisser Sommer“ und die vielen Romane.
Wir Deutschen haben uns nach dem verlorenen Krieg selbst leid getan. Wir waren nicht Täter, wir waren Opfer. Nicht Täter und Opfer. Nur Opfer. Als Beispiel „Der Stern von Afrika“. Und Böll? Ein armes Luder. Und Sissi, bis Romy es nicht mehr aushielt und sich nicht kaufen ließ.
Das sind Allgemeinheiten, ich weiß, Gegenbeispiele können genannt werden.
Heute nun gedenken wir der Befreiung von Auschwitz. Die Nachrichten, die mich erreicht haben, sind eingepackt in antirussische Propaganda. Das wird so bleiben. Deshalb vertraue ich westlichen Nachrichten nicht mehr. Statt dessen höre ich, passend zur Begleitung Thomas Manns, ungewohnte klassische Musik. Die Oistrachs, Guldenberg, in Moskau geboren und ausgebildet, das erinnert mich an Salka Viertels Familie. Alle ihre Angehörigen haben überlebt, weil sie unter Stalins Regierung rechtzeitig aus der Ukraine gerettet wurden.
Gerettet vor uns – die wir jetzt die Leistungen der Roten Armee gar nicht genug zerreden können.
Niemandem wird körperlich übel beim Gedanken daran, was wir den Russen wieder antun – nach allem, was wir ihnen schon angetan haben.
Deutsche haben starke Mägen.
Michael Molsner
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