Freitag, 13. April 2018

Schuld, Verantwortung, Haftung


Täter oder Opfer?

Wir sind als deutsches Volk eine Verantwortungsgemeinschaft, habe ich in der Schule gelernt. Aus der Verantwortung für die namens der deutschen Staatsführung begangenen Verbrechen während der Nazizeit dürften wir uns nicht davonstehlen. Das wurde mir eingeschärft und habe ich übernommen. Auch Haftung hätten wir in bestimmten Fällen zu leisten. Kollektiv schuldig seien wir nicht, aber als Kollektiv verantwortlich.
Wie ist das hier und jetzt zu sehen? Die Unterstützung von Aufständen in Ländern, die uns nicht angegriffen haben, bricht Völkerrecht. Ich werde nicht eingesperrt oder gar umgebracht, wenn ich das ausspreche. Doch die Freiheit, meine Meinung zu äußern, ändert nichts daran, dass meine Regierung Aufstände im Ausland unterstützt, in welcher Form auch immer. Aktuell bedrohen wir die Staatsführung Syriens. Dazu haben wir kein Recht. Die Responsibility To Protect (RTP) - also die verpflichtende Verantwortung, eine durch die eigene Regierung bedrohte Bevölkerung zu schützen -, ist an einen entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen gebunden. Der Beschluss muss einstimmig gefasst werden. Damit wird dem Missbrauch vorgebeugt, den wir aktuell erleben: dass einzelne Staaten oder Allianzen die RTP nutzen, um egoistische Ziele durchzusetzen.
Gestützt auf Bruch des Völkerrechts, wollen wir Syrien das Schickal Libyens bereiten.
Bin ich mitverantwortlich? Ich werde jedenfalls mit in Haftung genommen, konkret für die Wiedergutmachung an Flüchtlingen und Migranten, die gegen meinen Willen ihrer Heimat beraubt werden.
Heimat zu haben, wird ihnen zugstanden. In Mülheim an der Ruhr habe ich im Schaufenster eines Internetcafés plakatiert gesehen: Preisgünstig in die Heimat telefonieren. Also nach Syrien, dessen Regierung wir absetzen wollen. Oder nach Libyen, das wir ins Chaos gestürzt haben. 
Sind wir Tätervolk, weil wir mittun? Oder Opfervolk, weil wir uns dem Druck der Kriegsindustrie nicht zu widersetzen wagen?
Tatsachen sollten gelesen werden, nicht Ideologie. Die westliche Allianz verfolgt geopolitische Ziele. Unsere Politiker und ihre medialen Gehilfen glauben nicht ernstlich,  unsere Finanzierung, Bewaffnung und propagandistische Unterstützung ausländischer Rebellionen bringe moslemischen Staaten Frieden, Meinungsfreiheit, Geschlechtergleichheit. 
Wir lesen und hören jedoch allenthalben, genauso sei es. Es ist nicht die Wahrheit. 
Wir können unsere Werte nicht Völkern aufzwingen, die  ihre eigene Kultur der unseren vorziehen. Es ist unmöglich. Das Unmögliche zu versuchen, ist nicht kühn, sondern frevelhaft - wenn es um den Preis furchtbarer Verwüstungen versucht wird. 
Wir werden diese Versuche noch viel teurer bezahlen müssen, als uns jetzt eingeredet wird.