Mittwoch, 3. Mai 2017

Ist es erlaubt?

Ich will nicht die triviale These ausbreiten, dass hinter dem Versprechen von Demokratie nach unserem Vorbild, die wir weltweit zu verbreiten entschlossen sind, ordninärer Neokolonialismus sich verbirgt. Das glaubt jeder, der nur einigermaßen informiert ist; und ich kann mich ja auch irren, ich bin kein Ökonom.
   Was ich aber zu beurteilen mir zutraue, weil es zu meiner Kernkompetenz gehört, ist der Zustand unserer öffentlich geführten Diskussionen. Er ist „deplorable“. Ich glaube schon nichts mehr, was unsere Leitmedien melden. Entweder ich erkenne es ohne weiteres als falsch (kontrafaktisch, Fakenews) oder durch Einseitigkeit irreführend (polemisch, post-truth).
    Allein in einer einzigen, früher angesehenen Zeitung habe ich an einem einzigen Tag nicht weniger als fünf halb- und ganzseitige Hasstiraden gegen Russland gelesen.
   In einem als ganz besonders seriös geltenden Blatt kommentierte einer der Herausgeber die Wahl Donald Trumps mit den Worten: In Moskau und Peking müssen sie in ihren amtombombensicheren Bunkern vor Glück gebrüllt haben.
   Es ist er Tenor aller unserer Medien, der privaten wie der staatsgestützten.
     Wenn aber alle das Gleiche berichten, jeden Tag, Woche für Woche und Monat für Monat, und das seit Jahren – muss das nicht wundernehmen?
   Ein unheimlicher Gedanke ist mir gekommen, ein Verdacht.
   Erleben wir den Abbau auch der zweiten deutschen Demokratie zugunsten einer Deutschen Demokratischen Republik?
   Das wäre schon arg genug, doch es kann noch schlimmer kommen. 
   Winston Churchill hat einst Hitlers Überfall auf unsere Nachbarländer vorausgesagt. Um die Aufrüstung der deutschen Wehrmacht, Luftwaffe und Marine finanzieren zu können, müsse Hitler Raubriege führen oder sein Drittes Reich gehe bankrott. Die Staatsschuld der USA liegt derzeit bei zwanzig Billionen Dollar und wächst jährlich, falls sich nichts ändert, um eine weitere halbe Billion. Und die Staatsschulden innerhalb der Europäischen Union?
    Um das deutsche Volk auf Krieg einzustimmen, musste Hitler die Medien gleichschalten. Westliche Leitmedien melden alle das Gleiche, jeden Tag.
   Hitler musste die akademische Welt für sich gewinnen. Westliche Professoren dürfen es nicht wagen, eine andere als die angeblich „korrekte“ Linie zu vertreten; andernfalls werden sie von ihren Studenten vom Pult gejagt.
    Hitler hat die Oppositionsparteien zerschlagen. Westliche Oppositionsparteien werden täglich in allen – allen! – Medien als populistisch denunziert und delegitimiert.
   Demokratie ist aber keine Veranstaltung für Zuschauer – wie Eishockey, wo man zwar anfeuern darf, aber nicht mitspielt. In einer funktionierenden Demokratie darf jeder mitspielen, dem es nicht wegen nachgewiesener Verfassungsfeindlichkeit verboten wird.
   Wie ist es bei uns?
   Von den vier Staatsgewalten sind in Deutschland zwei entmachtet, die Legislative, weil unser Parlament keine Opposition dulden will.
   Die Medien, sie beugen sich staatlichem oder privatem Druck.
   Eine ist geschwächt: die Exekutive, die ohnehin unter politischem Einfluss steht.
   Eine ist noch intakt: die Judikative, allerdings unterbesetzt und überfordert.
   Als Deutscher lebe ich bereits in einem Obrig-keitsstaat.
   Auf welche Gegenkraft dürfen wir hoffen, um wieder auf den Weg der Demokratie zu finden? Hält die kollektive Intelligenz der Bevölkerung der beständigen Desinformation stand?

    In Nordafrika beteiligen wir uns an Massenmorden. Ist es erlaubt, von einem neuerlichen Holocaust zu sprechen?