Sonntag, 25. Mai 2025

Der überlistete Mitmensch

 


Das Schlimme anderen aufzubürden verstehen“

Aphorismus 149:


Einen Schild gegen das Mißwollen zu haben, ist eine große List der Regierenden. Sie entspringt nicht, wie Mißgünstige meinen, aus Unfähigkeit, vielmehr aus der höheren Absicht, jemanden zu haben, auf den der Tadel des Mißlingens und die Strafe allgemeiner Schmähungen zurückfalle. Alles kann nicht gut ablaufen, noch kann man alle zufriedenstellen; daher habe man, wenn auch auf Kosten seines Stolzes, so einen Sündenbock, so einen Ausbader unglücklicher Unternehmungen.“


Balthasar Gracián, 1647, SJ, Oráculo manual.

Es sind Aphorismen zum Erwerb von Lebensweisheit für Weltleute.

Meine Quelle: Peter Sloterdijk, Was geschah im 20. Jahrhundert? Suhrkamp 2016, „Der überlistete Mitmensch“, S. 339




Donnerstag, 22. Mai 2025

Zu Befehl

 

Krieg mit drei Großmächten - 28. Juni bis 4. August 1914

An diesem oder am vorausgehenden Tag, dem 3. Juni, fiel die in seiner ganzen Regierungszeit folgenschwerste Entscheidung Wilhrelms II.: er tadelte den deutschen Botschafter in Wien, v. Tschirschky, für dessen zurückhaltende, ja abwiegelnde Haltung in der Frage einer Strafaktion Österreich-Ungarns gegen Serbien: "Wer hat ihn dazu ermächtigt? Er soll den Unsinn gefälligst lassen! Jetzt oder nie! Mit den Serben muss aufgeräumt werden und zwar bald." Diese kaiserliche Willensäußerung wurde im Auswärtigen Amnt als Befehl verstanden und sofort an Tschischky nach Wien weitergegeben."

Fritz Fischer, Hitler war kein Betriebsunfall, Beck'sche Reihe 1992,

S. 95


Dienstag, 20. Mai 2025

Ortega y Gasset

 

Vom Baum der Recherchen gepflückt.


Ortega Y Gasset 1933:

Man vergesse nicht, dass der entscheidende Faktor in der Geschichte eines Volkes der Durchschnittsmensch ist. Von seiner Beschaffenheit hängt die Konstitution des Volkskörpers ab... Darum hängt alles davon ab, dass das mittlere Niveau so hoch wie möglich ist... und es kann geschehen, dass ein Volk geniale Einzelne besitzt, ohne dass darum der historische Wert der Nation größer würde. Das tritt immer ein, wenn die Masse sich diesen Vorbildern nicht fügt, ihnen nicht folgt und sich nicht vervollkommnet.


Ortega Y Gasset 1957:

Ich misstraue der Liebe eines Menschen zur eigenen Fahne oder zu seinem Freund, wenn ich bei ihm nicht das Bestreben sehe, seinen Feind oder dessen Fahne zu verstehen. Und ich habe beobachtet, dass es...leichter fällt, uns für irgendein Moraldogma zu erwärmen, als unsere Herzen den Geboten der Wahrhaftigkeit zu erschließen.


ÜBER DIE LIEBE, MEDITATIONEN ÜBER DON QUIJOTE

Mittwoch, 14. Mai 2025

Newark New York

 

Katastrophale Zustände – wo??


An großem US-Flugplatz Newark

Seit Jahrzehnten keine Updates, Kontrollen ausgefallen

Zuvor der Vorfall am Reagan Airport. Washington. Und in Heathrow, London. Wo an Infrastruktur gespart wird, muss die unruhig werdende Bevölkerung durch Geldgeschenke beruhigt und durch Kriege geeint werden, beides schuldenfinanziert. Diesen Zustand hat Trump geerbt und will nun versuchen, das Wirtschaftssystem zu verändern.

Was er einführt, erinnert an Merkantilismus. Mit diesem System haben Frankreichs Könige dem Bürgertum aufhelfen können. Die Staatskassen Versailles waren durch kostspielige Hofhaltung (für den Adel, den Klerus, die Feldherren) geleert. Die Parallelen zu den USA scheinen mir offensichtlich zu sein. Schuldenfinanzierte Kriege, immer neue Stellen für Bürokraten, Geldgeschenke ans unruhig werdende Wahlvolk. Niemandem fällt das auf.

Außer den amerikanischen Wählern. Die haben sich für Merkantilismus entschieden. Unsere Medien triefen vor Hohn. Sie fanden die Washingtoner Hofhaltung bis zu Trump vorbildlich und werden nicht müde, sie zu preisen. Neulich sehe ich eine Fotografie von Obama und seiner Frau und die Aufforderung, fleißig zu teilen. Er hat Krieg in 7 Staaten geführt. Wir lieben ihn noch immer.


Michael Molsner

Freitag, 9. Mai 2025

Frohe Botschaft aus Rom

 

Zum Papst Leo XIV. habe ich eine besondere Beziehung. Das darf ich sagen, ohne zu übertreiben. Hannah Arendt hat ihre Doktorarbeit über den Liebesbegriff bei St. Augustinus geschrieben. Sie betont,wie ich hier schon berichtet habe, dass die Theologie des Kirchenvaters ein Bekenntnis zum Wunder menschlicher Geburt darstellt. Mit jedem Neugeborenen sei die Möglichkeit gegeben, aus einer angeblich zwangsläufigen Reihenfolge auszusteigen und neu zu beginnen. Sie bezeichnet das Weihnachtsfest als das bedeutendste des christlichen Kulturkreises. Für gläubige Christen ist es das Osterfest – nach Johannes 16: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Luther). Doch Hannah spricht nicht nur zu Christen. Interessant fand ich immer, daß man es christlich auffassen kann oder philosophisch: Wahr bleibt, dass ein junger Wanderprediger in Sandalen, der von milden Gaben lebte und nächtigte, wo man ihn aufnahm, zweitausend Jahre unserer Kultur geprägt hat. Und wahr ist, dass der neue Papst Wanderprediger war und nicht von vergangener Schuld sprach, sondern Frohe Botschaft brachte: Lasst uns in Frieden und Liebe die gemeinsame Zukunft beginnen.

Er war Augustinermönch.


Michael Molsner

Samstag, 3. Mai 2025

Unser Stolz

 

Ich habe eine Frage, sie ist ernst gemeint. Nachdem wir zwei Weltkriege geführt und verloren haben, wüsste ich gern, ob von den vielen weltweiten Kriegen, an denen wir uns beteiligt haben, irgendeiner gewonnen wurde. Gewonnen würde bedeuten: wunschgemäßes Resultat erzielt. Mir scheint nämlich, alle gingen verloren. Verloren würde bedeuten: wunschgemäßes Resultat verfehlt.
Nun bin ich kein Speicher für historische Daten. Kann mich irren. Falls ich aber richtig liege, hätten wir vor 150 Jahren zum letzten Mal Kriege gewonnen - unter Bismarcks politischer Aufsicht. Ausgerechnet sein Porträt hat Annalena Bärbock, seine Nachfolgerin, aus dem Büro des Auswärtigen Amtes entfernen lassen.
Und das führt mich zu einer weiteren, einer Zusatz-Frage. In einem Brief vom 19. März 1960 schreibt Hermann Hesse, weshalb er Deutschland 1910 verlassen habe, "um nie mehr dorthin zurückzukehren. Es ist die politische Unfähigkeit und Unzuverlässigkeit des Volkes... Das deutsche Volk, trotz seiner vielen guten Begabungen, eignet sich wie kaum ein anderes zur Diktatur... ist ihr stets offengestanden."
Zum Trost fügt er hinzu: "Deutschland ist ein kleiner Teil der Welt und seine Bedeutung für die Welt ist heute sehr viel kleiner als je seit 1870."
Aus Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, Erweiterte Auflage, Suhrkamp Taschenbuch 211
Kann es denn sein - es klingt widersinnig- dass wir stolz darauf sind, nur solche Kriege zu führen oder mitzuführen, die absehbar verloren gehen werden - ??