Samstag, 22. Februar 2025

Vortag unserer Wahlen

Tausend Milliarden Falls die Wahl so ausgeht, dass ein Kredit (Sondervermögen) von 1 Billion politisch durchgesetzt werden kann – und zugleich der Wiederaufbau der Ukraine von westeuropäischen Konzernen geleistet wird, ist für letztere ein Riesengeschäft zu machen. Die Kosten für den Kredit werden erst für die nächste und übernächste Generation fällig. Sie sind also nicht unser Problem. Noch interessanter ist die Überlegung, dass Trump nur eine Amtszeit hat. Sein Nachfolger könnte einer Kontrolle Russlands geneigter sein. Es geht also nicht nur darum, dass wir unseren zweiten Krieg gegen Russland gewinnen. Wir bereiten uns durch Hochrüstung auf einen möglichen dritten deutschen Krieg gegen Russland vor. Das unbekannte X in der Rechnung sind diejenigen US-Eliten, die nicht noch einmal Gut und Blut zugunsten deutscher Expansion opfern wollen. Sie lehnen das Risiko eines Weltkrieges ab. Das eben verbindet Trump und Putin. Unterstützt wird diese Einschätzung von Peking, das zwar – wie die beiden anderen riesigen Flächenstaaten – einen Weltkrieg überstehen könnte, jedoch Frieden für seine Entwicklung bevorzugt. Michael Molsner, 22. Februar 2025 Vormittag vor der Bundestagswahl

Sonntag, 16. Februar 2025

Vergleich von Kampfzielen

Entmündigt. 1813 forderte Ernst Moritz Arndt ein, was Napoleon den Deutschen versprochen, was Goethe für möglich gehalten hatte – den Zustand innerer und äußerer Entmündigung zu beenden. Die staatliche Einheit Deutschlands war herzustellen. Das Recht dazu hatten wir: Was ist des Deutschen Vaterland?/ So nenne mir das große Land!/ So weit die deutsche Zunge klingt/ Und Gott im Himmel Lieder singt,/ Das soll es sein!/ Das, wackrer Deutscher, nenne dein! Alle erklärten sich einverstanden. Achim von Arnim: Kein sel'ger Tod ist in der Welt,/Als wer vom Feind erschlagen...Zu Clemens Brentano, dem Wander- und Dichterbruder, brach die Beziehung ab. Im Volk kursierten Lieder, deren Verfasser unbekannt blieben: Wohlauf ihr Brüder, die Zeit ist da/ Die Zeit, sich als Mann zu bewähren,/ die Kette klirrt, die Knechtschaft ist nah,/ Laßt mutig uns gegen sie wehren;/ Wenn Vaterland, Freiheit man entbehrt,/ Bleibt diesem Leben ja doch kein Wert. Es war die Massenmobilisierung der Entmündigten. Entmündigung ist das Schlimmste, was man einem Menschen, einem Staat androhen kann. Als eine liebe frühere Freundin schrieb, es gebe keinen Frieden, solange der Irre in Moskau am Rad dreht, bin ich fürchterlich erschrocken. Aus dem Umkreis dieser Freundin wurde dann eine Entmündigung Gerhard Schröders gefordert, nämlich der Entzug der Bürgerrechte. Er hatte an seiner Freundschaft zu dem Irren in Moskau festgehalten. Wer Irre nicht einsperrt, gefährdet alle – durch die Messerattacke von Magdeburg ist das sogar tagesaktuell. Bekanntlich wurde sie von einem Mann begangen, der psychiatrischer Beobachtung, wenn nicht Betreuung, bedurft hätte. Die politische Dimension wird deutlich, wenn wir Theodor Körners Lieder ernst nehmen: Durch, Brüder, durch! Dies werde/ Das Wort in Kampf und Schmerz,/ Gemeines will zur Erde,/ Edles will himmelwärts!!... Durch! Dort ist's Vaterland! Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;/ Es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heil'ger Krieg!! In dem herrlichen Stück Prinz Friedrich von Homburg sagt die Geliebte des zum zum Tod verurteilten Prinzen: Das Kriegsgesetz, das weiß ich wohl, soll herrschen,/ Jedoch die lieblichen Gefühle auch.Die Franzosen haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit diesem Widerspruch beschäftigt, sie haben das deutsche Stück auf ihre Bühnen gebracht und die Titelrolle ihrem damals bedeutendsten jungen Schauspieler anvertraut: Gérard Philippe. Das tut man, wenn man sich der Realität zu stellen wagt: Dass man gerade von einer deutschen Invasionsarmee überwältigt wurde und sich nicht selbst befreien konnte, sondern fremde Hilfe brauchte. War unsere große Stunde da, als England uns den Krieg erklärt hat? Galt es jetzt? Ging es um unsere letzte Chance, die staatliche Einheit zu sichern? Viele dachten so. Sie sangen die Lieder Körners: Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenrot, / Willkommen dann, sel'ger Soldatentod!/ Du verkriechst dich in seidene Decken,/ Winselnd vor der Vernichtung Schrecken./ Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht!/ Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,/ ein deutsches Lied besingt dich nicht,/Und deutsche Becher klingen dir nicht... Unsere Lage hat sich nicht geändert. Nach der rauschhaften Einheitsfeier durch frühe Siege fand der Zweite Weltkrieg uns abermals geteilt. Wieder stehen wir vor der Tatsache, die Hitler gegenüber den militärischen und wirtschaftlichen Eliten klar umrissen hat. Deutschland ist zu klein, um sich gegen einen Überfall zu verteidigen. Als Landmacht braucht es ausreichend Raum, um zu manövrieren. Dieser ersetzt aber nicht die Knappheit an Ressourcen. Es reicht daher nicht, die benachbarten europäischen Staaten einzubinden. Russland benötigen wir sowohl als strategischen Raum wie als Quelle von Ressourcen. Und als Zugang zu den Weltmeeren! Die Ostsee, Danzig! Die Krim, Sewastopol! Alles unverzichtbar, nur – mit friedlichen Mitteln nicht zu bekommen. Das Recht, Russland zu überfallen, liege in der Geisteskrankheit seines Anführers und der ihn umgebenden Clique, erfahren wir. Geisteskranke – wie schon erwähnt – sind zu entmündigen. Bekanntlich ging Hitler sogar noch weiter, er bestimmte die politischen Interessen nicht nur so, wie wir sie täglich erfahren, er sprach von den Russen als Tieren. Das tut bei uns noch nicht jeder. Nun stehen Tiere ja unter Schutz. Sie können Freunde sein, Hund, Pferd und Katze etwa, oder Nutztiere, dann kann man sie essen. Sobald wir aber Menschen, russische oder andere, zu Tieren erklären, landen wir bei der Tatsache, dass wir sie zu Freunden weder haben noch sie essen wollen, sie daher zu vernichten sind. Eine andere Option hat sich bisher nicht gezeigt. Wir sind eisern entschlossen, den aktuellen heiligen Krieg als Verteidigungskrieg zu bezeichnen und bis zu Ende durch!zuhalten. Die Kosten vererben wir den folgenden Generationen. Sie seien nicht unser Problem. Zumal wir nach der Ausweitung unserer Macht bis wenigstens zum Ural über vielerlei Sachwerte verfügen sollten. Hitler entschloss sich, die Probleme seines Dritten, des dritten deutschen, Reiches, nachhaltig zu lösen. Er überfiel Polen. Der britische Premier Chamberlain musste zurücktreten. Aus dem Hintergrund plädierte er für Friedensverhandlungen mit Hitler. Der Außenminister in Churchills Kriegskabinett war unbedingt dafür; man könne an gemeinsame Interessen anknüpfen. Dieser Standpunkt erschien realistisch. Hitler beherrschte damals bereits große Teile Europas und stand mit weit überlegener Macht vor der Kanalküste. Der britische König fragte seinen Premier Churchill, was er zu dem Angebot meine. Churchill antwortete: Nationen, die kämpfend unterliegen, erheben sich wieder. Nationen, die sich unterwerfen, gehen unter. Vor dem Unterhaus hielt Churchill dann seine große Rede: We shall never surrender! Wir werden uns nie ergeben. Und wenn der letzte Kämpfer bei der Verteidigung gegen die deutschen Landungstruppen am eigenen Blut erstickt ist, gehen wir nach Norden und kämpfen weiter. Es ist eine der berühmtesten Reden der Neuzeit. Sie hallte weithin. Auch bis Berlin. Hitler hat sie beantwortet mit dem Versprechen, die Konsolidierung deutscher Landmacht bis zum Ural durch einen Sieg über England zu sichern. Auch wir Heutigen versprechen Russland die sichere Niederlage und die Konsolidierung unserer Landmacht bis zum Ural. Es ist nicht dieselbe Politik, darauf bestehen wir mit größter Vehemenz. Wir seien Vorkämpfer von rechtsstaatlicher Demokratie, überall in der Welt erwarte man uns sehnsüchtig. Beinahe überall gibt es Unterdrückte, in Afrika mit seinen enormen menschlichen und materiellen Ressourcen. In Hongkong, wo Minderheiten in einer Sicherheit leben, die ihnen keine Organisation von Widerstand gegen den Staat erlaubt. Wir müssten nur endlich kommen, um zu ernten. Nicht nur Sachen, auch Dank. Schöne Mädchen würden an den Straßenrändern unseren siegreichen Truppen Blumen und Früchte reichen, alte Mütterchen in rührender Frömmigkeit für uns beten. Macht nur endlich Ernst!

Samstag, 1. Februar 2025

Kollegen

Kollege Ossietzky Seit es überlieferte Zeugnisse menschlicher Kultur gibt, ist die Existenz von unguten Mächten erkannt worden. Sie wurden böse genannt. Oft ist das unleugbar in unserer Erfahrung mächtige Böse personifiziert worden. Eugen Drewermann, Theologe und Psychoanalytiker, weist die unterschiedlichen Gestalten des Bösen nach, die in unterschiedlichen Kulturen zur Unterscheidung vom Guten benutzt wurden. Die Begriffe verändern sich, werden weitergegeben von Kulturkreis zu Kulturkreis und lassen Rückschlüsse auf deren Entwicklung zu. Der Teufel ist eine bevorzugte Gestalt des Bösen und in vielen Sprachen präsent: Diable, diavolo, devil... Ausgerechnet der populärste Begriff, der sich von Deutschland aus über die zivilisierte Welt verbreitet hat, scheint nirgendwoher zu stammen. Jedenfalls kann Drewermann ihn nicht ableiten: Mephistopheles. Unter diesem Namen ist der Teufel in Goethes Faust eingewandert und erscheint dort als Pudel, als fahrender Scholar, und später in wieder anderer Gestalt. Das ist charakteristisch für die teuflische, die böse Macht. Sie erscheint in stets neuen, unerwarteten Gestalten. Das Böse ist keine Persönlichkeit, wie oft und immer wieder geglaubt wurde, es ist eine allerdings furchtbare, zu fürchtende Macht. Als Joseph Ratzinger noch Theologieprofessor war und nicht der Papst, der darauf achten musste, den Stand kirchlicher Lehrmeinung zu wahren, antwortete er auf eine Frage, ob der Teufel eine Person sei: Der Teufel sei nicht durch Persönlichkeit zu erkennen, sondern durch die Auflösung von Persönlichkeit. Kulturmenschen wie Carl von Ossietzky, Herausgeber der regierungskritischen Zeitschrift Weltbühne, fürchteten nicht die Einschränkung ihrer bürgerlichen Freiheiten. Diese seien durch die Verfassung geschützt. Grausamkeiten, wie sie ihm dann im Konzentrationslager zugefügt wurden, hat sich niemand vorgestellt. Kulturverrat mochte anderswo möglich sein, in Deutschland nicht. Die Macht des Bösen wurde unterschätzt, weil es in der Erfahrung kultivierter Persönlichkeit auch die ausgleichende Macht des Guten gibt. Aber was ist zu erwarten, wenn Persönlichkeit sich auflöst? Nach Erlass von Berufsverboten gegen jüdische Deutsche stand ein junger Mann jüdischer Herkunft bei einer Behörde um irgendeine wichtige Bescheinigung an. Der Mann hinterm Schalter stempelte emsig Formulare ab. Es war ein Schulfreund. Beide erschraken. Der Bittsteller verriet keine frühere Beziehung oder gar Freundschaft. Die Situation konnte für beide gefährlich werden. Dann sagte der Schulfreund: Du musst schon verzeihen. Ich war fünf Jahre arbeitslos. Mit mir können sie alles machen. Die Antwort ist deshalb so erschreckend, weil sie auf die Bedeutung des Überlebenswillens hinweist. Er kann Gehorsam erzwingen. Bei gutartiger Grundveranlagung aber werden nicht gleich die dunklen Mächte wirksam, von denen viel geschrieben und dargestellt ist. Gestern fand ich im Ablagekasten einer Buchhandlung den Film Der Nachtportier mit Dirk Bogarde und Charlotte Rampling. Ich bin geneigt, von Fügung zu sprechen und nicht von einem Zufallsfund. Die furchtbaren Quälereien, die Bogarde als KZ-Offizier der jungen Charlotte antut, sind fast unerträglich anzusehen – aber das halte ich aus. So waren sie, die Nazis. Ich weiß es. Was mir aber fast das Herz zerreißen wollte, ich bekam Atemnot und tatsächlich, ja, das Herz tat mir weh, waren die wunderbaren Szenen aus der Wiener Aufführung der Zauberflöte, Stabführung Karl Böhm, Farb-Video, und dann diese Musik! Menschen sind fähig, Mozarts Entdeckung der Liebe zu feiern, und fähig, Lust an der Tortur zu genießen. Dass der Scherge und sein Opfer sich während der Aufführung wiedersehen und die damalige Beziehung wieder aufnehmen, bedeutet für mich eine Erscheinung des Bösen. Persönlichkeiten lösen einander auf. Indem sie gemeinsam einander töten. Es gibt diese Lust, sie hat Namen. Aber wenn sie nicht auf Einverständnis beruht, ist es das Loslassen der Teufelsmacht in uns. Uns dieser Tatsache zu stellen, fällt nur den Besten ein. Normal ist es, das Böse, Teuflische, anderen zuzuordnen. Eine Freundin schrieb mir jüngst: Gar nichts tun wir den Russen an. Dass wir Russland mit Wehr und Waffen umgeben, wie schon einmal, ist in unserer öffentlichen Meinung ohne Opposition hinzunehmen. Wer russische Interessen kennenlernen will, findet sich ohne erlaubte Informationsquelle. Putin gilt als Erscheinung des Bösen. Trump auch, ihm wird von einem Kommentator in der New York Times hatefulness unterstellt, das bedeutet: Bösartigkeit. Der Kommentar ist vor zwei, drei Tagen veröffentlicht und bei mir archiviert. Amerikaner hätten ihn gewählt trotz seiner Bösartigkeit. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass Benjamin Franklin virtue (Tugend) forderte, nicht nur virtus (Tapferkeit). Bin einverstanden, Ben Fanklin war mein Einstieg ins amerikanische politische Denken. Ich war 22 Jahre alt und habe seinen Traum vom freien Bürger mitgeträumt.