Sonntag, 16. Februar 2025

Vergleich von Kampfzielen

Entmündigt. 1813 forderte Ernst Moritz Arndt ein, was Napoleon den Deutschen versprochen, was Goethe für möglich gehalten hatte – den Zustand innerer und äußerer Entmündigung zu beenden. Die staatliche Einheit Deutschlands war herzustellen. Das Recht dazu hatten wir: Was ist des Deutschen Vaterland?/ So nenne mir das große Land!/ So weit die deutsche Zunge klingt/ Und Gott im Himmel Lieder singt,/ Das soll es sein!/ Das, wackrer Deutscher, nenne dein! Alle erklärten sich einverstanden. Achim von Arnim: Kein sel'ger Tod ist in der Welt,/Als wer vom Feind erschlagen...Zu Clemens Brentano, dem Wander- und Dichterbruder, brach die Beziehung ab. Im Volk kursierten Lieder, deren Verfasser unbekannt blieben: Wohlauf ihr Brüder, die Zeit ist da/ Die Zeit, sich als Mann zu bewähren,/ die Kette klirrt, die Knechtschaft ist nah,/ Laßt mutig uns gegen sie wehren;/ Wenn Vaterland, Freiheit man entbehrt,/ Bleibt diesem Leben ja doch kein Wert. Es war die Massenmobilisierung der Entmündigten. Entmündigung ist das Schlimmste, was man einem Menschen, einem Staat androhen kann. Als eine liebe frühere Freundin schrieb, es gebe keinen Frieden, solange der Irre in Moskau am Rad dreht, bin ich fürchterlich erschrocken. Aus dem Umkreis dieser Freundin wurde dann eine Entmündigung Gerhard Schröders gefordert, nämlich der Entzug der Bürgerrechte. Er hatte an seiner Freundschaft zu dem Irren in Moskau festgehalten. Wer Irre nicht einsperrt, gefährdet alle – durch die Messerattacke von Magdeburg ist das sogar tagesaktuell. Bekanntlich wurde sie von einem Mann begangen, der psychiatrischer Beobachtung, wenn nicht Betreuung, bedurft hätte. Die politische Dimension wird deutlich, wenn wir Theodor Körners Lieder ernst nehmen: Durch, Brüder, durch! Dies werde/ Das Wort in Kampf und Schmerz,/ Gemeines will zur Erde,/ Edles will himmelwärts!!... Durch! Dort ist's Vaterland! Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;/ Es ist ein Kreuzzug, 's ist ein heil'ger Krieg!! In dem herrlichen Stück Prinz Friedrich von Homburg sagt die Geliebte des zum zum Tod verurteilten Prinzen: Das Kriegsgesetz, das weiß ich wohl, soll herrschen,/ Jedoch die lieblichen Gefühle auch.Die Franzosen haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit diesem Widerspruch beschäftigt, sie haben das deutsche Stück auf ihre Bühnen gebracht und die Titelrolle ihrem damals bedeutendsten jungen Schauspieler anvertraut: Gérard Philippe. Das tut man, wenn man sich der Realität zu stellen wagt: Dass man gerade von einer deutschen Invasionsarmee überwältigt wurde und sich nicht selbst befreien konnte, sondern fremde Hilfe brauchte. War unsere große Stunde da, als England uns den Krieg erklärt hat? Galt es jetzt? Ging es um unsere letzte Chance, die staatliche Einheit zu sichern? Viele dachten so. Sie sangen die Lieder Körners: Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenrot, / Willkommen dann, sel'ger Soldatentod!/ Du verkriechst dich in seidene Decken,/ Winselnd vor der Vernichtung Schrecken./ Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht!/ Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,/ ein deutsches Lied besingt dich nicht,/Und deutsche Becher klingen dir nicht... Unsere Lage hat sich nicht geändert. Nach der rauschhaften Einheitsfeier durch frühe Siege fand der Zweite Weltkrieg uns abermals geteilt. Wieder stehen wir vor der Tatsache, die Hitler gegenüber den militärischen und wirtschaftlichen Eliten klar umrissen hat. Deutschland ist zu klein, um sich gegen einen Überfall zu verteidigen. Als Landmacht braucht es ausreichend Raum, um zu manövrieren. Dieser ersetzt aber nicht die Knappheit an Ressourcen. Es reicht daher nicht, die benachbarten europäischen Staaten einzubinden. Russland benötigen wir sowohl als strategischen Raum wie als Quelle von Ressourcen. Und als Zugang zu den Weltmeeren! Die Ostsee, Danzig! Die Krim, Sewastopol! Alles unverzichtbar, nur – mit friedlichen Mitteln nicht zu bekommen. Das Recht, Russland zu überfallen, liege in der Geisteskrankheit seines Anführers und der ihn umgebenden Clique, erfahren wir. Geisteskranke – wie schon erwähnt – sind zu entmündigen. Bekanntlich ging Hitler sogar noch weiter, er bestimmte die politischen Interessen nicht nur so, wie wir sie täglich erfahren, er sprach von den Russen als Tieren. Das tut bei uns noch nicht jeder. Nun stehen Tiere ja unter Schutz. Sie können Freunde sein, Hund, Pferd und Katze etwa, oder Nutztiere, dann kann man sie essen. Sobald wir aber Menschen, russische oder andere, zu Tieren erklären, landen wir bei der Tatsache, dass wir sie zu Freunden weder haben noch sie essen wollen, sie daher zu vernichten sind. Eine andere Option hat sich bisher nicht gezeigt. Wir sind eisern entschlossen, den aktuellen heiligen Krieg als Verteidigungskrieg zu bezeichnen und bis zu Ende durch!zuhalten. Die Kosten vererben wir den folgenden Generationen. Sie seien nicht unser Problem. Zumal wir nach der Ausweitung unserer Macht bis wenigstens zum Ural über vielerlei Sachwerte verfügen sollten. Hitler entschloss sich, die Probleme seines Dritten, des dritten deutschen, Reiches, nachhaltig zu lösen. Er überfiel Polen. Der britische Premier Chamberlain musste zurücktreten. Aus dem Hintergrund plädierte er für Friedensverhandlungen mit Hitler. Der Außenminister in Churchills Kriegskabinett war unbedingt dafür; man könne an gemeinsame Interessen anknüpfen. Dieser Standpunkt erschien realistisch. Hitler beherrschte damals bereits große Teile Europas und stand mit weit überlegener Macht vor der Kanalküste. Der britische König fragte seinen Premier Churchill, was er zu dem Angebot meine. Churchill antwortete: Nationen, die kämpfend unterliegen, erheben sich wieder. Nationen, die sich unterwerfen, gehen unter. Vor dem Unterhaus hielt Churchill dann seine große Rede: We shall never surrender! Wir werden uns nie ergeben. Und wenn der letzte Kämpfer bei der Verteidigung gegen die deutschen Landungstruppen am eigenen Blut erstickt ist, gehen wir nach Norden und kämpfen weiter. Es ist eine der berühmtesten Reden der Neuzeit. Sie hallte weithin. Auch bis Berlin. Hitler hat sie beantwortet mit dem Versprechen, die Konsolidierung deutscher Landmacht bis zum Ural durch einen Sieg über England zu sichern. Auch wir Heutigen versprechen Russland die sichere Niederlage und die Konsolidierung unserer Landmacht bis zum Ural. Es ist nicht dieselbe Politik, darauf bestehen wir mit größter Vehemenz. Wir seien Vorkämpfer von rechtsstaatlicher Demokratie, überall in der Welt erwarte man uns sehnsüchtig. Beinahe überall gibt es Unterdrückte, in Afrika mit seinen enormen menschlichen und materiellen Ressourcen. In Hongkong, wo Minderheiten in einer Sicherheit leben, die ihnen keine Organisation von Widerstand gegen den Staat erlaubt. Wir müssten nur endlich kommen, um zu ernten. Nicht nur Sachen, auch Dank. Schöne Mädchen würden an den Straßenrändern unseren siegreichen Truppen Blumen und Früchte reichen, alte Mütterchen in rührender Frömmigkeit für uns beten. Macht nur endlich Ernst!

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