Freitag, 25. März 2022

Unser Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Siegermächte beschlossen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Sanktionen gegen Staaten beschließen darf, die Völkerrecht brechen. Die Sanktionen durften aber nur einstimmig durch die vier (dann fünf) ständigen Mitglieder verhängt werden. Seither haben die USA sich das Recht genommen, Strafen ohne die Zustimmung des Sicherheitsrates zu verhängen. Sie haben sich selbst und sich allein an die Stelle der Siegermächte gesetzt. Ihre Alliierten sind ihnen meist gefolgt. Bei uns in Deutschland wird die Gefolgschaft als „Übernahme von Verantwortung für die Durchsetzung unserer Werte“ begründet. Die Formel bedeutet, dass wir durch harte Strafen in anderen Ländern rechtsstaatliche Demokratien erzwingen sollen und auch können. Die Tatsachen sprechen allerdings deutlich dagegen. Im Mittleren Osten sind durch Bombardements vormals intakte Infrastrukturen zerstört, die medizinische und soziale Versorgung, die Lebensmittelproduktion, der Zugang zur Bildung fast unmöglich gemacht worden. In manchen dieser Staaten wurden bestehende Strukturen so weitgehend zerstört, dass Bürgerkriege toben, Sklaven auf offenem Markt gehandelt und verkauft werden, und Wohlstand durch himmelschreiendes Elend ersetzt wurde – alles durch unsere Mitwirkung an der „Übernahme von Verantwortung für die Durchsetzung unserer Werte“. Das alles ist wahr und seriös dokumentiert, es ist zweifelsfrei. Dass es dennoch möglich ist, die ohne Zustimmung des Sicherheitsrates verhängten Strafen als Eintreten für Menschenrechte darzustellen, erscheint unmöglich. Doch es gelingt. Unsere westliche Publizistik ist widerspruchslos auf diesen Kriegskurs eingeschwenkt und behauptet, es sei Friedenspolitik. Dass die allgemein bekannten Tatsachen im Widerspruch zu öffentlich erklärten Zielen dieser Politik stehen und die Ziele mit den angewandten Mitteln nirgendwo erreicht worden sind, ist unseren Nachrichtenmedien keine Analyse wert. Die Verursacher seien nicht wir selbst, wird verbreitet, sondern diejenigen, die sich unseren gutgemeinten Feldzügen militärischer, wirtschaftlicher, kultureller Art aus unbegreiflichen Gründen widersetzen. Wir müssten daher noch viel schärfere Strafen verhängen, zum Beispiel Hunger weltweit als Waffe für uns nutzen. Diese Politik wird durchgesetzt von der Nation, die sich selbst als exceptional bezeichnet, als Ausnahme: Fünf Prozent der Weltbevölkerung erklären den verbleibenden 95 Prozent, diese seien zur Gefolgschaft verpflichtet – eben kraft des exceptionalism, des Ausnahmecharakters der einen Nation. Wie sieht es nun dort aus? Fragen wird man dürfen. Die Antwort ist, dass ein kleines Prozent der Bevölkerung dort den gesamten Reichtum des Landes auf sich vereinigt. Die andern streiten sich um den Rest und bewaffnen sich einzeln und gruppenweise bis an die Zähne, um ihre Interessen durchzusetzen. Das ist nicht übertrieben, es stimmt! Diese unsere Schutz- und Trutzmacht unterhält weltweit 800 Militärbasen, gibt für Rüstung mehr aus als der Rest entwickelter Länder zusammen – und nimmt die Verrottung der eigenen Infrastruktur dafür in Kauf. Und auch innenpolitisch sucht die jeweilige Regierung die Ursache nicht im eigenen Verhalten, sondern im Verhalten von Störern, Aufrührern, Oppositionellen, die vor allem durch Bestrafung zum rechten Verhalten zu bewegen seien. Der offenbare Wahnwitz wird von links mit dem Argument kritisiert, er diene der Rüstungsindustrie. Doch in Deutschland gibt es keine so bedeutende Rüstungsindustrie, dass sie fähig wäre, unsinnige politische Beschlüsse durchzusetzen. In den USA ist es anders. Bei uns jedoch muss es Politiker geben, die sich andere Vorteile von der Aufrüstung versprechen als Riesenprofite für Rheinmetall. Was für Vorteile das sein mögen, ist „anybody’s guess“, es bleibt fraglich. Einstweilen steht nur fest, dass dem deutschen Wählervolk über Jahre keine Aufrüstung plausibel gemacht werden konnte. Jetzt wird sie publizistisch mit dem Krieg begründet, der als Putins Krieg bezeichnet wird. Es ist aber nicht Putins Krieg, sondern unser dritter Krieg gegen Russland. Ob der Erfolg diesmal wohl die eingesetzten Mittel rechtfertigen wird? Albert Einstein soll einmal gesagt haben, dass es einen Mangel an Intelligenz beweist, wenn man von der ständigen Wiederholung desselben Versuchs irgendwann ein günstiges Resultat erhofft, anstatt neue Versuche zu machen. Deshalb sei es noch einmal und mit allem Nachdruck betont: Die für unser Land und unser Westeuropa verantwortlichen Politiker sind mit Sicherheit intelligent genug, um die Resultate ihrer Entscheidungen zu erkennen! Das bedeutet, dass Chaos, Verwüstung, Hunger, Massenflucht aus Asien und Afrika als hinnehmbar beurteilt werden im Vergleich zu den Vorteilen, die unsere US-geführten Regierungen daraus ziehen.

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