Sonntag, 1. Oktober 2017

Brillanter Journalismus

Beschimpfung Abgehängter im Inland, Eroberungskriege nach außen - damit haben Amerikas Demokraten die Präsidentschaftswahl nicht etwa gewonnen, sondern verloren. Gleichwohl haben unsere deutschen (Volks-)Parteien - als wären sie realitätsresistent -  genau diese Politik der US-Wahlverlierer im hiesigen Wahlkampf vehement vertreten und propagiert und ebenfalls viele Stimmen verloren. Sie erklären uns nun, so weitermachen zu wollen wie bisher. Dagegen wenden sich zwei brillante Journalisten.
Peter Unfried aktuell in der Wochenend-Ausgabe der taz schreibt (sinngemäß): Wir in der alten Bundesrepublik haben nach der Kriegsniederlage durch Anschluss an den Westen gelernt, dass wir nicht den Krieg verloren haben, sondern von der Schreckensherrschaft der Nazis befreit worden sind und eine Demokratie aufbauen halfen. So konnten wir eine schöne Geschichte unseres Deutschland erzählen. Im Gegensatz dazu gönnen wir den Ostdeutschen keine Geschichte Deutschlands, in der sie eine auch nur ordentliche Rolle spielen. Dagegen begehren die Ostdeutschen auf. Dumme rückständige untüchtige Männer. Sollen was lernen. So schlau werden wie wir. Klingt nach Hillary Clinton, der Verliererin. Wahlsieger beschimpfen wir, Ehrensache, wir bleiben dabei. Man könnte zwar aus dem Wahlsieg unserer Gegner Trump oder AfD auch was lernen - aber lernen, wir? Weshalb denn? Wir stellen keine Fragen , wir geben Antworten.
Brillant auch die Analyse von  Peter Richter in der aktuellen Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Er spricht mit einem von ihm geschätzten Soziologen, der es sogar für möglich hält, dass nicht Ostdeutsche die Zurückgebliebenen sind, sondern wir Wessies. Und dass Ostdeutsche die Avantgarde sind. Dass sie in die Zukunft reiten, die freilich riskant sein mag - doch wer habe je behauptet, die Zukunft sei ungefährlich oder gar gemütlich?
Peter Unfried ist mit seinen Grünen so unglücklich wie ich mit meiner SPD. Und weshalb Peter Richter überhaupt in der SZ schreiben darf, obgleich die gesamte Außenpolitik des Blattes den Neocons der US-Ost-und Westküste verpflichtet scheint, ist mir ein Rätsel.
Beide "Peter" sind Glanzpunkte des deutschen Journalismus. Sie schreiben gegen die Parteilinie ihrer Zeitungen an. Dass man sie nicht feuert, mag daran liegen, dass auch sie gut vernetzt sind - oder dass selbst die vernageltsten Redaktionsleiter vor der sprachlichen Brillanz dieser Kollegen die Fäuste senken.
Doch ändern wird sich nichts. Darf sich nichts! Sagen CDU, SPD, Grüne. Die CSU zaudert. Lindner von der FDP mutiert zum Hoffnungsträger. Sarah Wagenknecht von der Linken verhindert nicht die irre Sternchen-Durchgenderung unserer Sprache. Die AfD ist Trump und wird wie dieser mit Pfui und Bäh bedacht.
Die Todeszone breitet sich aus. Beschimpfung Zurückbleibender im Inland, Eroberungskriege im Ausland, Regimechange in aller Welt..

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