War recht niedergeschlagen nach zufälligem Blättern in Goethes Italienischer Reise. Erhoben und beglückt zuerst durch seine wunderbare Offenheit für Fremdes, für andere Bräuche und Sitten. Für seine Bereitschaft, sich durch neue Eindrücke bereichern zu lassen. Verurteilungen habe ich nur einmal auf den 50-60 Seiten gefunden, die ich aufmerksam zu lesen begann - und da waren es die Jesuiten, die er als Erbe und Mitgestalter der Aufklärung beiläufig der Betrügerei bezichtigt. Sehr begreiflich und ein wenig belustigend, ich musste lachen. Aber sonst ... Sogar Befremdliches lehnt er nicht ab, verurteilt es nicht, schildert es genau und anschaulich und übrigens ohne Beschönigung, wenn auch diskret. Er vertraut darauf, dass er daraus lernt und wir durch ihn daraus lernen könnten.
Wie anders, wie niederschmetternd anders ein Reisebericht in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Januar (03.01.2017). Da schildert ein Tim Neshitov seinen Besuch bei einem Ururenkel Fjodor Dostojewskis in Russland. Und es gibt keine Einzelheit, die er uns ohne belehrende und beurteilende, auch hämische und sogar verachtungsvoll verurteilende Kommentierung mitteilt. Über seine Vorurteile lässt ern jedenfalls keinerlei Zweifel aufkommen.
Auf was für einen Tiefstand ist die Reiseberichterstattung in unserem Land herabgesunken! Aber freilich, ohne die Tendenz hätte der Kollege seinen Bericht wohl nicht untergebracht. So ist das jetzt bei uns, "so geht es zu" - um Thomas Mann zu zitieren.
Es hat mich sehr traurig gemacht.
Wir erhalten Informationen nur noch mit Gebrauchsanweisung.Was notiert Goethe über die Jesuiten? Dass es ihn interessieren würde zu wissen, was sie den Leuten aufgebunden hatten.
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