Samstag, 14. Januar 2017

Einunddreißigster Brief: Where are you, Errol Flynn?

Erinnert sich jemand, wie es im Wilden Westen zuging, wenn Herausgeber und Chefredakteure von Zeitungen Kritik an den Machthabern übten?  Sie wurden stumm gemacht. Man wollte keine kritischen Stimmen, weder in der  Presse noch im Saloon. Zur Freude von uns Zuschauern griff dann irgendein Errol Flynn, John Wayne oder Clint Eastwood ein und stellte die Demokratie wieder her - die nur funktionieren kann, solange es kritische Stimmen gibt.
Wie steht es bei uns mit der Vierten Gewalt? Ich fürchte, es steht schlimm damit.
Dafür ein Beispiel - und keineswegs ein besonders krasses oder auffallendes.
Heute früh lese ich auf Seite 1 meiner Lokalzeitung:
Lammert für härtere Strafen/ Internet-Beschimpfungen nicht hinnehmbar.
Zwei Interviewer stellen dem Bundestagspräsidenten zunächst die Situation vor Augen: "Die terroristische Bedrohung, Europas Krise, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten" - und knüpfen daran die Frage, mit welchen Gefühlen der Parlamentspräsident darauf reagiere. Worauf dieser ausführt, Verrohung finde in den sozialen Medien statt und müsse bestraft werden, um hinzuzufügen: "Über den Verlauf und das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen bin ich immer  noch fassungslos."
Kritischer Journalismus müsste wohl fragen, wie Lammert es mit seiner politischen Stellung vereinbart, den gewählten neuen US-Präsidenten indirekt zu beleidigen, und ob das den Beziehungen zur neuen Administration und unserem Staat  dienlich ist. Und ob nicht Lammert selbst sich einer Entgleisung schuldig macht, wenn er so etwas sagt.
Doch diese Frage wird nicht gestellt.
Es gibt keinen kritischen Journalismus mehr bei uns - mit ganz wenigen Ausnahmen. Alle Medien, die öffentlich-rechtlichen wie die privaten, denunzieren oppositionelle Stimmen als populistisch oder möchten sie gar unter Strafe stellen.
Fühlt ihr euch wohl in Dodge City, nachdem der Herausgeber der Zeitung stumm gemacht wurde? Und bevor Errol Flynn eingegriffen hat?
Wie sehnlich haben wir als Kinder auf Errols Erscheinen gewartet.
Damit die Demokratie wieder funktioniert.


  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen