Freundlicher Umgang
Ich zerstöre auf diesem Blog meinen zuvor guten Ruf, meint ein Freund,
dem ich viel verdanke – nachdem er mir per E-Mail mitgeteilt hat, ich sei
entweder so dumm, mich von Putins Propaganda irreführen zu lassen, oder ein
Mietmaul, also einer, der sich von Putin bezahlen lässt, irreführende
Propaganda über weltpolitische Vorgänge zu verbreiten.
Wie verletzend solche Vorhalte sind, und wie irrig dazu,
bemerkt mein Freund nicht.
Irrig in vielerlei Hinsicht. Zunächst einmal äußere ich mich
keineswegs zur Weltpolitik – sondern zum öffentlichen Diskurs darüber. Er ist
vergiftet durch Verdächtigungen, wie mein Freund sie gegen mich richtet.
Aufgefallen ist es mir zuerst, als eine
Fernsehkorrespondentin bei Verleihung eines Preises erklärt hat, die Kritiker
ihrer Berichterstattung seien entweder irrgeführt oder bestochen. Mit anderen
Worten, Kritik an ihrer Berichterstattung entbehre seriöser Grundlage. Dafür
den Joachim-Friedrich-Preis? Ich mochte es kaum glauben.
Seither gehört es zur alltäglichen Berichterstattung unserer
westlichen Medien (soweit ich sie kenne, das sind BBC, CNN und die wichtigsten
deutschen Zeitungen, gelegentlich die International New York Times) – es ist
Routine, sage ich, Kritik an der Politik der Nato als Putins Propaganda zu bezeichnen.
Entweder man ist dumm, weil man drauf hereinfällt, oder hat sich kaufen lassen.
Als mein Freund, dem ich über Jahrzehnte und bis in die
jüngste Zeit viel zu danken hatte, erstmals solche Verdächtigungen äußerte,
richteten sie sich nicht nur gegen mich. Ich hatte mich auf Aussagen der
sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Helmut Schmidt bezogen,
auf Willy Brandts Berater Egon Bahr und auf Peter Scholl-Latour, den Helmut
Schmidt als einen von einer Handvoll Vertrauten bezeichnet hat.
Mein Freund nun also bezeichnete Gerhard Schröder als
Gazpromhure, Helmut Schmidt als Oberzyniker, und Scholl-Latour als jemand, der
wohl noch aus dem Grabe die Welt erklären werde – als ewigen Besserwisser,
verstand ich. Andere, auf die ich mich bezogen hatte und die ich für seriös
hielt und halte, hat er in ähnlichem Tonfall niedergemacht.
Nun – in unseren Kreisen redet man so nicht. Mit mir schon
gar nicht. Ich dachte zunächst, mein Freund müsse an einer Art Tourette-Syndrom
erkrankt sein, und bat ihn, seinen Ton zu überprüfen. Er überschreitet nun mit
der Verdächtigung, ich sei ein Mietmaul Putins, erneut die Anstandsgrenze.
Es ist aber – wie gesagt – nicht nur ein privates, es ist
ein gesellschaftliches Problem. Unser öffentlicher Diskurs ist vergiftet von
Verdächtigungen und Denunziationen. Intelligentes Abwägen alternativer
Standpunkte, was Allen Dulles als „educated guess“ bezeichnet hat und was die
eigentliche Aufgabe informativer Berichterstattung wäre, ist außer Kurs geraten
– zu meiner größten Bestürzung nicht nur auf der Rechten (da hatte ich es
erwartet), sondern im linken Lager, dem ich mich zurechne und dem auch mein
Freund sich, wie ich annehmen darf, zugehörig fühlt.
Ich fühle mich gemobt. Wie wehrte man sich gegen Mobbing –
durch einen Freund?!
Wäre es ein Gegner und ich eine öffentlichere Person, könnte
ich auf Unterlassung klagen. Aber einem Freund gegenüber? Da ich keinen Wert
darauf lege, das letzte Wort zu behalten, werde ich bezüglich meiner
publizistischen und charakterlich-moralischen Integrität keine Mitteilung an
ihn richten.
Mir ist keine andere Antwort eingefallen als ein Zitat.
An Friedrich Gottlieb Klopstock
Weimar d.
21. Mai 1776.
Verschonen Sie
uns ins Künftige mit solchen Briefen, lieber Klopstock! Sie helfen nichts, und
machen uns immer ein paar böse Stunden.
Sie fühlen
selbst daß ich nichts darauf zu antworten habe. Entweder müsste ich als Schul
Knabe[63] ein
pater peccavi anstimmen, oder mich sophistisch entschuldigen, oder als ein
ehrlicher Kerl vertheidigen, und dann käm vielleicht in der Wahrheit ein
Gemisch von allen Dreien heraus, und wozu?
Also kein Wort
mehr zwischen uns über diese Sache! Glauben Sie, daß mir kein Augenblick meiner
Existenz überbliebe, wenn ich auf all' solche Briefe, auf all' solche
Anmachungen antworten sollte. – Dem Herzog thats einen Augen Blick weh, daß es
von Klopstock wäre. Er liebt und ehrt Sie. Von mir wissen und fühlen Sie eben
das. – Graf Stolberg soll immer kommen. Wir sind nicht schlimmer, und wills
Gott, besser, als er uns selbst gesehen hat.
G.
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