Besitz und Vorurteil
Wir sind es gewohnt, unseren geistigen Besitz im Verdrängungswettbewerb gegen Mitbewerber einzusetzen. Wir verhalten uns nicht genossenschaftlich und können unser geistiges Eigentum nicht zur gegenseitigen Bereicherung zusammenlegen - wie in einer Konsumgenossenschaft.
Wird das Konkurrenzverhalten zur Routine, so kann geistiger Besitz sich in ungerechtfertigtes Vorurteil verwandeln. Es ist nur selten möglich, einen Christen davon zu überzeugen, dass man geistige Bereicherung Karl Marx verdankt, seelische Gesundheit Sigmund Freud. Linke Literaten reagieren abwehrend, wenn man nachweist, dass Thomas Mann die wirkungsmächtigste deutsche Stimme gegen die Nazi-Barbarei gewesen ist; sie verweisen ärgerlich auf Heinrich Mann, seinen Bruder, und fragen nicht nach Argumenten.
Sowie geistiger Besitz sich in Vorurteil verwandelt hat, ist er nicht mehr vermehrbar - er versteinert, statt flüssig zu bleiben.
Versteinerte Menschen können keine Bündnisse schließen. Jeder will für sich recht behalten und verbleibt in politischer Wirkungslosigkeit. Das macht die politische Rechte so stark.
Wir gleichen Hähnen, die - nebeneinander am Haken des Schlachters hängend - wütend aufeinander einhacken. Bevor sie geköpft werden. Dieses Beispiel ist nicht von mir, ich meine, ich habe es bei Ernst Bloch gelesen.
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