Dienstag, 15. April 2025

Entdeckung bei Hofmannsthal

Er stand mir bisher nicht nahe. Nun entdecke ich eine verblüffende Gemeinsamkeit zwischen poor little me und dem österreichischen Klassiker. Auf S. 202 des Fischer Taschenbuchs 25 (Das gute Buch für jedermann) findet man die Stelle. Wir hätten im Deutschen eine sehr hohe dichterische Sprache und ausdrucksstarke Volksdialekte. "Woran es uns mangelt, das ist die mittlere Sprache, nicht zu hoch, nicht zu niedrig, in der sich die Geselligkeit der Volksglieder untereinander auswirkt."
In einem Essay (Leiden mit Sinatra, Hoffen mit Garland), mein Buch BEGEGNUNGEN von 2015, beklage ich genau das, fast genau hundert Jahre nach Hugo von.
Das scheint mir zu bedeuten, dass sich nach den furchtbaren Lehren, die uns zwei verlorene Weltkriege hätten beibringen können, nichts geändert hat. Noch immer haben wir Deutschsprachigen keine Möglichkeit geschaffen, uns über lebenswichtige, auch todbringende, Themen offen miteinander zu verständigen.
Wir können es nicht. Krieg wird gefordert, ohne dass die aus Erfahrung bekannten Folgen diskutabel sind. Und so geht es mit fast allen Begriffen, die in sich einen Widerspruch bergen. Wir kennen nur noch Eindeutigkeit.
Sogar Menschen werden wie Begriffe behandelt, wir verwandeln sie in Abstraktionen. Hitler ist kein Mensch, er ist DAS BÖSE. Da dieses Böse nicht verschwindet, ist Hitler nicht tot, er verkörpert sich immer wieder. Er kann sich in einem CSU-Politiker verkörpern, in Alice Weidel, in Donald Trump. Marine LePen, Elon Musk, und wie heißt nochmal der US-Außenminister? Auch er steht für DAS BÖSE. Ich könnte dafür einstehen müssen, wäre ich wichtig genug.
Mein Gefühl ist, falls auch ich hier mal über meine Gefühle reden darf, dass ich in einer Menschenwelt lebe, wo viele Einzelne nie zu produktiver Anarchie gefunden haben - nur zu deren detruktiver Variante: Sie führt ins Chaos.
Aber es fällt niemandem auf. Und wer liest noch Hofmannsthal oder Molsner? Ich muss selbst lachen über diese eigenartige Zusammenstellung.

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