Dienstag, 1. November 2016

Vierundzwanzigster Brief

Ob es wohl sinnvoll ist, wenn ich weiterhin Tatsachen in den Zusammenhang einordne, in den sie gehören? Wenn ich Schlussfolgerungen zurückweise, die sich auf die Grundlage vereinzelter, von ihrem Zusammenhang abgesplitterter, Fakten stützen? Wenn ich stattdessen das zugehörige Narrativ, den richtigen Kontext, liefere?
Vermutlich beruhige ich mich nur selbst und erreiche gar nichts.
In meiner Abonnementszeitung las ich vor wenigen Tagen, niemand wisse, wie man Jugendliche davon  abhalte, sich islamistisch zu radikalisieren. Das ist gängiger Unsinn. Jeder weiß, wie man Jugendliche davon abhält, Terroristen zu werden. Man braucht nichts zu tun, nur etwas zu unterlassen. Hören wir auf, die Heimatländer dieser jungen Menschen zu zerbomben, wie es die Nato auf Drängen der USA tut. Seit fünf Jahren in Syrien.
Hören wir auf, Umstürze in fremden Ländern zu betreiben.
Übrigens sind die von uns wütend betriebenen und mit Lügen begründeten regime changes in fremden Ländern verfassungswidrig. Denn unsere Verfassung verbietet verbietet die Angriffskriege, die wir führen. Doch niemand zieht unsere Regierung dafür zur Verantwortung.
Die Medien wären dazu verpflichtet, doch sie rufen zu neuen Zerstörungen in weiteren Ländern auf. Vor allem in Syrien und parallel in Russland sollen endlich regime changes gelingen. Niemand fragt, ob die Bevölkerung von Damaskus unter der Herrschaft der Scharia leben will. Oder die russische Bevölkerung unter der Herrschaft der westlichen Kriegsindustrie.
Es hat auch keinen Sinn - keine Wirkung - wenn ich zu bedenken gebe, dass die responsibility to protect völkerrechtlich nur dann einen Angriff auf ein fremdes Land rechtfertigt, wenn der UN-Sicherheitsrat so beschließt. Er hat es nicht getan.
Wir werden an ständige Aufrüstung gegen Russland gewöhnt - obgleich die militärische Überlegenheit der NATO bereits jetzt riesig ist.
Bricht der Krieg aus, werden diejenigen, die ihn begünstigt haben, die Verursachung nicht bei sich selbst suchen. Der Jude ist schuld, hieß es früher einmal bei uns und anderswo in Europa. Der Russe ist schuld, heißt es jetzt. Niemand nimmt Anstoß an der Gleichartigkeit der Slogans.
Psychiatrische Ferndiagnosen sind in unseren Medien täglich zu finden. Putin sei machtbesessen. Oder man liest Gedanken und unterstellt aggressivste Absichten, die er hege. Das ersetzt vernunftgestützte Recherche.
Donald Trump hat versprochen, die Kriegspolitik der USA durch Friedenspolitik zu ersetzen. Mit Hass, Hohn und Häme haben unsere Medien es beantwortet. Bei Hillary Clinton ist die Kriegsindustrie mit gewaltigen Beträgen in Vorleistung gegangen. Die Kandidatin hat akzeptiert und wird liefern müssen. Die Unterstützung unserer Medien ist ungeteilt.
Wer sich gegen weitere regime changes durch Sanktionen oder durch Kriege ausspricht, wird bei uns als links- oder rechtspopulistisch denunziert. Kaum jemand in unseren Leitmedien wagt es. Wer es doch riskiert, ist seinen guten Ruf schnell los.
Soweit mein Bericht zur Lage eine Woche vor den Wahlen in USA.
Warum gebe ich ihn überhaupt? Damit ich doch irgendetwas getan habe, um meiner Verantwortung als gelernter Journalist und aktiver Literat gerecht zu werden.
's ist leider Krieg und ich begehre/ nicht schuld daran zu sein. 

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