Freitag, 6. Mai 2022
Wer weiß das bei uns?
„Niemand hat den Kalten Krieg gewonnen.“
Diese überraschende Behauptung wagt Martha Gellhorn und fügt sie einer Sammlung ihrer seinerzeit berühmten Kriegsreportagen an. Gellhorn war für die USA so etwas wie Peter Scholl-Latour für uns in Europa, stets unerschrocken vor Ort, um Kriege zu dokumentieren, wie sie wirklich erlebt werden – und nicht so, wie die jeweilige Propaganda es dargestellt wissen will. Die folgenden Passagen sind eine Zusammenfassung aus dem Schlussteil ihres Buches „The Face of War“.
Es sei die stolze amerikanische Überzeugung, schreibt sie, „wir“ hätten den Kalten Krieg gewonnen, indem wir die Sowjetunion bankrott gerüstet haben. Das nennt sie seltsam in Anbetracht der Tatsache, dass die USA sich selbst bankrott gerüstet, nämlich mit Staatsschulden belastet haben, die im Kalten Krieg jedes Jahr gestiegen sind; sie haben sich – wird uns vorgerechnet – während der Amtszeit von Präsident Reagan verdreifacht, in direkter Relation zu den extra ausgewiesenen Militärausgaben. Die Staatsschuld der Sowjeunion, die während ihres Bestehens viele Staaten umfasste und nun vererbt ist an das kleiner gewordene Russland, belaufe sich auf sechzig Milliarden Dollar. Die Staatsschuld der USA 1991, etwa im gleichen Zeitraum, auf 3599 Milliarden Dollar, und steigend. Diese Summe sei mehr als doppelt so hoch als die gesamten Staatsschulden der Dritten Welt. Die sowjetische und von Russland übernommene Staatsschuld belaufe sich auf weniger als ein Viertel der jährlich fälligen Zinszahlungen der USA. Die USA müssen mehr als ein Drittel ihrer staatlichen Ausgaben aufwenden, um die Zinsen an ihre Gläubiger abzutragen. Und der Zins steige von Jahr zu Jahr; „riesige Ausgaben für das Militär gehen weiter“.
Die Überraschung ist, dass Gellhorn diese Angaben 1992 geschrieben hat. Vor drei Jahrzehnten schon sah es so aus! Geändert hat sich in all der Zeit nichts, im Gegenteil, es ist schlimmer geworden. Im vergangenen Jahr erst hat die Finanzmisterin der USA, vormals Chefin der berühmten Federal Reserve, eindringlich gemahnt, die parlamentarischen Vertreter der USA imWashingtoner Kongreß müssten unbedingt die Schuldenobergrenze erhöhen.
Sonst drohe die Zahlungsunfähigkeit der Regierung!
Es folgen weitere Überraschungen.
„Die Vereinigten Staaten als alleinige militärische Supermacht ist ein Unglück für Amerikaner und jeden anderen.“
Das wird aktuell in Afrika, Asien, Südosteuropa immer wieder so gesagt. Auch die Begründung ist nicht neu. Die Bilanz der amerikanischen Präsidenten, seit die USA eine Supermacht wurden, ist nicht ermutigend; sie waren zu schnell bereit, sich in die Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und gefährlich schnell bereit, militärische Macht dafür einzusetzen.
Jede Regierung verfolgt und bestraft Drogenhandel aber fördert Waffenhandel. Das ist monumentale Heuchelei. Heroin, Kokain, Crack sind gesund im Vergleich mit der nachgewiesenen Zerstörungskraft unserer ständig modernisierten Waffen.
Das nahende Jahrhundertende (1992!) lässt uns mit einem Stapel von einundfünfzigtausend Nuklearwaffen zurück, erschreckender Überschuss an Tötungsfähigkeit, der sicher verwahrt und irgendwann abgetragen werden muss, und niemand weiß wie.
Das Volk der Sowjetunion, solange sie bestand, zahlte für den Preis, die zweitgrößte Atommacht der Welt zu sein, mit vierzig Jahren harten und kargen täglichen Lebens. Amerikaner jetzt, und bis in eine nebelhafte Zukunft reichend, werden weiterhin zahlen für ihren ersten Platz als Atommacht und verlieren jedes Jahr Hunderte Milliarden Steuergeld, die gebraucht würden um ihre beschädigte Gesellschaft zu heilen. Ist es ein Trost für Amerikaner, die meisten und besten Kriegswaffen zu haben und unsichere Stadtviertel, gefahrvolle Straßen, eine wachsende Unterklasse von arbeitslosen und wütenden Armen, die schlecht ausgebildet sind?
Das und vieles mehr melden auch unsere westlichen Medien gelegentlich – eines aber melden sie nicht und erfährt wohl kaum jemand: Dass es vor drei Jahrzehnten bereits klar zu erkennen und niedergeschrieben und veröffentlicht war – und dennoch nie geändert wurde.
Auch wir Deutschen und Europäer tun nichts, um unseren amerikanischen Freunden Kursänderungen zu empfehlen. Wir führen Amerikas Kriege.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen