Donnerstag, 12. Dezember 2024

So einfach

Meine Frau klagte gestern spontan: "Es gab früher eine lebendige Diskussion, weil Medien unterschiedliche Richtungen vertraten." Da hatte sie eben erfahren, dass die Biden-Administration TikTok sperren lassen will und dann wohl auch, wie befürchtet, sie selbst keine TikToks mehr bekommt. Sie sagt , sie erhält die wichtigsten politischen Nachrichten über diese Plattform. Im Moment findet bei uns keine lebendige Diskussion statt, weil unerwünschte Opposition als unverantwortliche bezeichnet und mit Verbot bedroht wird. Über die Vorgänge in Gaza, in Israel, im Libanon, in Syrien, in der Ukraine, in Russland, Weißrussland, Armenien, Türkei, sogar Italien, in Brüssel, in China und neuerdings in Saudi-Arabien kann nur noch eine Auffassung straflos vetreten werden. Wer "falsch" wählt, dessen Stimme wird als von vornherein sinnlos bezeichnet - womit dann der Wahlprozess selbst entkernt und verächtlich gemacht wird. Und doch besteht verbal Einigkeit darüber, dass das aktive und passive Wahlrecht Kennzeichen einer Demokratie ist. Die Antwort darauf ist und kann nur sein, dass unerwünschte Entscheidungen des Wählervolks auf arglistiger Täuschung, feindlicher Beeinflussung und direkter Fälschung beruhen. Das führt zu teils bizarren Widersprüchen. Die Wahl des republikanischen Kandidaten Donald Trump zum nächsten Präsidenten bedeute nichts anderes, lese und höre ich, als dass ein Lügner, Betrüger, Prahlhans, und Vorbestrafter zum Anführer (Führer ist ein verbotenes Wort) der Freien Welt bestimmt wird. Er sei unappetitlich, habe ich sogar gelesen. Dass damit eine mehrheitsfähige Zahl amerikanischer Wähler als dumm, verächtlich und geradezu amoralisch bezeichnet wird, irritiert hierzulande niemanden. Statt dessen stellt sich angeblich die Frage, ob wir wohl diesmal bereit sind, Hitler zu verhindern. Trump sei ein Klon Hitlers, ein neuer Hitler, ebenso der Landesvorsitzende einer sächsischen Partei. Dieser Zustand von Realitätsverlust gilt als Kampf für die Demokratie. Nachgeborene werden uns fragen, wie wir das hinnehmen konnten. Ganz einfach: Der öffentliche Raum, in dem Streitgespräche noch möglich wären, ist strikter Zensur gewichen, wie sie im Krieg allerdings geboten sein kann. Daher erklärt jetzt dieser Tage der Chef unseres Verfassungsschutzes, wir befänden uns längst in einem Krieg, der von unseren Gegnern mit raffiniertesten und rücksichtslosesten Mittel gegen uns geführt werde. "So einfach und man kann es sich doch nicht merken", sagte Karl Valentin.