Dienstag, 31. Dezember 2024
Ausgeschieden
Gestern widerstrebend mal wieder „DIE WELT am Sonntag“, vulgo WAMS gekauft. Die Ausgabe enthielt den vollständigen Text von Elon Musks Empfehlung, Deutschland nicht zu ruinieren. Man müsse, um den Ruin zu vermeiden, die einzige Oppositionspartei wählen. Die Zerstörung Deutschlands als „powerhouse“ der EU sei ansonsten sicher. Musk begründete auch, weshalb er sich das Recht nehme, sich mit diesem Standpunkt zu melden.
Das fand ich umso interessanter, als in derselben WAMS unter dem Titel AUSGESCHIEDEN eine Seite dem „Ende des deutsch-französischen Motors“ gewidmet war. „Deutschland und Frankreich sind beide hors jeu, ausgeschieden aus dem Kreis derer, die in Europa etwas bewegen.“
Außerdem eine, wie ich fand, kluge und verständliche Sonderseite über Thomas von Aquin. Das alles zusammen ist mehr, als ich erwartet hatte. Die übliche Propaganda, mit der die Redaktion ihrer eigenen Zeitung widerspricht, nehme ich gelassen. Interessanter erscheint mir, dass die Kollegen offenbar einen Schritt nachvollziehen, den die berühmteren US-amerikanischen Redakteure bereits gewagt haben. „Things are terrible in Europe, and they're only going to get worse“ las ich zwei Tage vor Weihnachten in der nytimes“, fett gedruckt. Von den gewichtigen Tech-Milliardären hätten sich bereits viele Trump angenähert. Das wird beklagt, aber auch begründet.
Elon Musk scheint zu vermuten, es sei Zeit, dass auch unsere politischen und medialen Eliten ihre Stellungnahmen überdenken. Sie tun das Gegenteil. Sie tun empört, entsetzt. Insbesondere meine SPD ist wieder einmal viel klüger. Ebenso meine Gewerkschaft ver'di. Ebenso die meisten meiner Kollegen in der dju. Sie wissen eines und darauf bestehen sie: Wir haben die heilige Pflicht, Adolf Hitlers Machtübernahme zu verhindern. Dazu gibt Musk zu bedenken, dass Alice Weidel eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat: „Klingt das für Sie nach Hitler?“ fragt Musk und fügt hinzu: „Ich bitte Sie!“
Wir aber vertreten die Auffassung, dass Hitler nur scheintot ist. Er komme in schwer erkennbaren Verkörperungen immerzu wieder. Kinder und Teenies wachsen mit der Angst auf, jeder von uns könne ein Monster sein: Rassenmord und Massenmord planen, und sage es nur nicht oder vielmehr, verberge es vor uns bis zur Stunde der Machtübernahme - dann aber drohe das böse Erwachen.
Ja und vor allem die Machthaber aus dem nahen und fernen Ausland! Auch an sie erinnert eine Sonderseite der WAMS. Wir sind nicht wehrtüchtig. Sofort nach dem Sieg in der Ukraine werde Putin die NATO herausfordern. Er tue es jetzt schon!
Und was tun wir? Unser Verteidigungsminister hat von einem bereitgestellten Sondervermögen von 100 Milliarden erst 25% abgerufen. Die verplanten 75% sind eingeplant für Ausgehuniformen und vier U-Boote, die vor den 2030er Jahren nicht ausgeliefert werden. Inzwischen sei unsere Bundeswehr blanker als blank. Ach, es werden so viele Einzelheiten genannt, alles Teil eines Jahresrückblicks.
Allerdings fand ich keinen ausführlichen Rückblick auf die Meldung, die uns am 7. Januar erreicht hat, drum hole ich es nach. Auf meine Art halt.
„Where have you gone, Joe DiMaggio? Our nation turns its lonely eyes to you... Joltin Joe has left and gone away.“
Die schönen Zeilen des Songs von Simon&Garfunkel wollte ich zitieren und zweitens variieren.
„Where have you gone, lucky libero... Blessed Franz has left and gone away.“
Sinngemäß: „Wo bist du hin, Befreier... Der Segen um Franz hat uns verlassen.“
Michael Molsner
Montag, 23. Dezember 2024
Was man uns mitteilt und was nicht
Zur veröffentlichten Meinung über Saudi-Arabien.
Weitere ergänzende Mitteilungen zu „Magdeburg“
Mit noch nicht zwanzig Jahren hatte meine Frau beim Besuch eines Unesco-Camps Gelegenheit, Jedda kennenzulernen. Sie wurde vor dem Besuch der alten Stadt dringend gewarnt, etwa die pittoresken Bauten früherer Zeiten zu fotografieren. Wer das versucht habe, dem sei die Kamera von Polizei aus der Hand gerissen, gewaltsam zerstört und der Film belichtet und vernichtet worden.
Umso aufmerksamer reagierte meine Frau nun, als sie jetzt - ein halbes Jahrhundert erfahrener - zu ihrem Erstaunen erfuhr, dass die Altbauten von Jedda sorgfältig restauriert als Touristenattraktion beworben werden. Auch die Saudis sind eben nicht mehr, was sie mal waren - seriöser formuliert: Arabiens Weg in die Moderne ist ein langer.
Unserer war ja nun auch nicht kurz. Etwas mehr Bescheidenheit unserer Diplomatie gegenüber den Auslieferungsersuchen wäre also angebracht gewesen. Erfahrene Diplomaten hätten Verhandlungen aufgenommen. Aber schon die Kommentierung unserer Medien der Fußballweltmeisterschaft in Quatar ließ Übles ahnen. Und wer die Kommentare unserer Medien zur Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Saudi-Arabien zur Kenntnis genommen hat, muß sich - wie ich - sehr gewundert haben. Warum haben sich nicht europäische Staaten um die Austragung beworben?
Sie wollten nicht? Man muß ja auch nicht. Aber wollen darf man wohl dürfen? Nur Araber nicht?
Hm, die Geschichte unserer Beziehungen zu Quatar ist "komplex", die zu den Saudis wird - wie ich fürchte - auch nicht transparenter werden. Und jetzt noch etwas – ich sollte mich auf die Tastatur setzen – eine Facebook-Freundin, die vor 50 Jahren als kleines Mädchen auf meinem Schreibtisch saß und sich jetzt noch immer an den alten mike erinnert, hat Saudi-Arabien vor kurzem als Touristin kennengelernt. Ihre Begeisterung über die Gastfreundschaft und Professionalität war kaum zu glauben. Alles funktionierte wie von selbst. Und die Kunstschätze! Wie war das nochmal mit dem zweiten Centre Pompidou? Ich hätte es speichern sollen. Mein Gedächtnis ist, wie Saudi-Arabien und Quatar, auch nicht mehr das, was es einmal war.
Michael Molsner
Sonntag, 22. Dezember 2024
Anschlag
Der Magdeburger Anschlag
Einige ergänzende Informationen
Auf BBC zeigte sich ein Mittelost-Experte gestern 21. 12. 24 besonders besorgt,„what especially worries me“, über eine Erklärung der Saudis. Der Geheimdienst des Königreichs habe die deutschen Sicherheitsbehörden über eine längere Zeit wenigstens dreimal (at least three times“ über die Gefährlichkeit des Attentäters informiert. Er sei kein Sunni wie die Mehrzahl der einheimischen Bevölkerung, sondern gehöre der Shia an.
Insofern sei er Gegner des saudischen Regimes aus religiösen Gründen und sei als „Apostat“ ausgereist, als jemand also, der den Islam verlässt. Über Internet habe er andere Apostaten aufgefordert, ihm nach Europa zu folgen und hier den Islam zu bekämpfen, der die Glaubensfreiheit ablehne – ein Menschenrecht nach der UNO-Charta – und daher bekämpft werden müsse.
In Deutschland sei er als islamophob wahrgenommen worden, berichten auch deutsche Medien. Und dass jede Behörde überfordert wäre, alle islamophoben Fanatiker überwachen zu müssen. Der BBC-Experte betonte allerdings, gerade dieser spätere Attentäter habe im Internet besonders bedrohliche Aktionen angekündigt und bereits auch riskiert. Ob die deutschen Behörden die Warnung ernst genug nahmen, wollte der Experte nicht beurteilen.
Über BBC bekam ich ferner eine Information aus Nord-Irland. In Belfast habe man aus grässlicher Erfahrung gelernt. Es werde zu jedem Ereignis, bei dem viele Menschen sich im öffentlichen, ungeschützten Raum versammeln, nur ein einziger Zufahrtsweg frei gehalten. Jedes (!) Fahrzeug, das sich der Menschenmenge nähere, werde weit vor der Einfahrt angehalten, der Fahrer kontrolliert, der Inhalt des Fahrzeugs überprüft.
Der spätere Magdeburger Attentäter hätte auf einer Liste erscheinen müssen, welche die Namen und das Vorleben geheimdienstlich gemeldeter Personen enthielt – falls die Meldungen des saudischen Geheimdienstes nicht einfach unterschlagen worden waren, was noch nicht ermittelt ist.
Es gibt weitere erhebliche Zweifel an der Tüchtigkeit der deutschen Sicherheits-behörden. Was mich betrifft, so beunruhigt mich der üblich gewordene, fast schon routinemäßige Gebrauch von Text-Bausteinen. Das furchtbare Geschehen verschwindet sofort hinter der raunenden Beschwörung unseres Wehrwillens: Rechtsextremisten seien bereits dabei, „Magdeburg“ zu missbrauchen, um Anhänger zu werben. Die Ampelisten und Christdemokraten tun das nicht? Da staune ich aber. Sind wir nicht im Wahlkampf?
Michael Molsner
Donnerstag, 12. Dezember 2024
So einfach
Meine Frau klagte gestern spontan: "Es gab früher eine lebendige Diskussion, weil Medien unterschiedliche Richtungen vertraten." Da hatte sie eben erfahren, dass die Biden-Administration TikTok sperren lassen will und dann wohl auch, wie befürchtet, sie selbst keine TikToks mehr bekommt. Sie sagt , sie erhält die wichtigsten politischen Nachrichten über diese Plattform. Im Moment findet bei uns keine lebendige Diskussion statt, weil unerwünschte Opposition als unverantwortliche bezeichnet und mit Verbot bedroht wird. Über die Vorgänge in Gaza, in Israel, im Libanon, in Syrien, in der Ukraine, in Russland, Weißrussland, Armenien, Türkei, sogar Italien, in Brüssel, in China und neuerdings in Saudi-Arabien kann nur noch eine Auffassung straflos vetreten werden. Wer "falsch" wählt, dessen Stimme wird als von vornherein sinnlos bezeichnet - womit dann der Wahlprozess selbst entkernt und verächtlich gemacht wird. Und doch besteht verbal Einigkeit darüber, dass das aktive und passive Wahlrecht Kennzeichen einer Demokratie ist. Die Antwort darauf ist und kann nur sein, dass unerwünschte Entscheidungen des Wählervolks auf arglistiger Täuschung, feindlicher Beeinflussung und direkter Fälschung beruhen. Das führt zu teils bizarren Widersprüchen. Die Wahl des republikanischen Kandidaten Donald Trump zum nächsten Präsidenten bedeute nichts anderes, lese und höre ich, als dass ein Lügner, Betrüger, Prahlhans, und Vorbestrafter zum Anführer (Führer ist ein verbotenes Wort) der Freien Welt bestimmt wird. Er sei unappetitlich, habe ich sogar gelesen. Dass damit eine mehrheitsfähige Zahl amerikanischer Wähler als dumm, verächtlich und geradezu amoralisch bezeichnet wird, irritiert hierzulande niemanden. Statt dessen stellt sich angeblich die Frage, ob wir wohl diesmal bereit sind, Hitler zu verhindern. Trump sei ein Klon Hitlers, ein neuer Hitler, ebenso der Landesvorsitzende einer sächsischen Partei. Dieser Zustand von Realitätsverlust gilt als Kampf für die Demokratie. Nachgeborene werden uns fragen, wie wir das hinnehmen konnten. Ganz einfach: Der öffentliche Raum, in dem Streitgespräche noch möglich wären, ist strikter Zensur gewichen, wie sie im Krieg allerdings geboten sein kann. Daher erklärt jetzt dieser Tage der Chef unseres Verfassungsschutzes, wir befänden uns längst in einem Krieg, der von unseren Gegnern mit raffiniertesten und rücksichtslosesten Mittel gegen uns geführt werde. "So einfach und man kann es sich doch nicht merken", sagte Karl Valentin.
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