Freitag, 14. Oktober 2022
Wer es wusste und wer nicht
Es muss einen Grund geben, dass ausgerechnet um die 2020er Jahre herum die Entrüstung über Untaten anderer überhand nahm. Uns Deutschen wurde moralische Empörung als Grundstimmung verordnet. Was war geschehen?
Bis dahin waren gewaltige Summen multinationaler Investoren in die USA geflossen, 2015 war die Summe auf 468 Milliarden Dollar angeschwollen, ein Rekordwert.
Im Pandemie-Jahr 2020 war China bis auf zwei Milliarden Dollar an die USA heran gerückt. Das Land hatte sich der US-Konkurrenz über die Jahre allmählich immer näher geschoben. In Washington löste das Händeringen aus. Man fragte sich in tiefer Sorge, ob die schnell wachsende, aufsteigende asiatische Macht etwa zum ständigen Platzhalter der ersten Wahl für sicherheitsbewusste Investoren werden könnte.
Chinas Aufstieg sei als riesiges Problem bewusst geworden, hieß es. Das habe politische Pressionen entzündet, den Trend umzukehren.
Ich gestehe, dass ich die Zahlen, die das Problembewusstsein weckten, damals nicht kannte.
Ich bin erst vor einer knappen Woche darauf gestoßen. Im Gegensatz zu uns Normalbürgern dürften Spitzenpolitiker im Westen sehr viel zeitnäher informiert gewesen sein. Sie schwenkten auf die neue Linie ein und gaben sie an die Medien weiter.
Inzwischen ist das ausländische Geld in die USA zurückgekehrt, 367 Milliarden Dollar sind genannt. Zwölf Mega-Projekte haben Foreign Investors für das laufende Jahr 2022 angekündigt, die Anlagen werden bei einer Milliarde mindestens gesehen.
Die USA haben ihre Spitzenstellung wieder und bauen sie aus. Städte und Staaten der USA verdoppeln ihre Anreize für Fremdkapital und verlassen sich nicht mehr selbstzufrieden auf die Attraktivität ihrer dynamischen Wirtschaft.
Japan war der bedeutendste fremde Investor während der drei vergangenen Jahre, ihr gesamtes direktes Investment hat letztes Jahr 721 Milliarden erreicht. US-amerikanische Töchter japanischer Firmen haben 2020 über 75 Milliarden an Gütern exportiert, gefolgt von Exporten deutscher US-Firmen, knapp 13 Milliarden. Für Forschung und Entwicklung haben die Japaner in den USA zwölf Milliarden Dollar ausgegeben, knapp hinter den Deutschen, die dafür fast dreizehn Milliarden aufgewandt haben.
Aus den Ziffern wird deutlich, weshalb Sozialdemokraten und Gewerkschaften die Linie gegen China goldrichtig finden. Nur mächtige Staaten machen Beute. Ihre Verbündeten profitieren davon. Wer von Moral redet, spricht darüber nicht. Die Kosten tragen andere, wir bekommen unser Teil ab.
Angela Merkel hat während ihrer Amtszeit von allen asiatischen Staaten stets zuerst China besucht; Kanzler Scholz zog einen Besuch in Japan vor, beim Kriegsverbündeten des Dritten Reichs.
Damals sollte der Stahlpakt Russland und China bezwingen. Ein Weltbund der Demokratien will nun das gleiche Ziel verwirklichen.
Wer darauf empfindlich reagiert, hat wohl nicht durchdacht, dass Politiker nur verteilen können, was andere hergeben müssen. Allerdings gilt das nicht für die Grünen. Im Gegensatz zu SPD, Gewerkschaften, Christlichen und Liberalen geben sie uns nichts. Oder doch? Das Gefühl, gute Menschen zu sein.
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