Samstag, 25. Oktober 2025

Weizsäcker - der Bruder

 

Weizsäckers Selbstdarstellung

Quelle: Carl Friedrich von Weizsäcker:

Der Garten des Menschlichen

„Die Fähigkeit zum widerstrebenden Konformismus gehört in allen Gesellschaften zu den Mitteln des Überlebens.“

 

„Mein Unglaube an die Legitimität des bürgerlichen Systems – in meiner Generation damals weit verbreitet – und eine unklare chiliastische (=endzeitliche) Erwartung machten mich Zwanzigjährigen empfänglich für den seelischen Vorgang, den ein tiefblickender Kritiker die Pseudo-Ausgießung des Heiligen Geistes von 1933 genannt hat.“ 

Ich wurde aufmerksam. Auch ich war als Zwanzigjähriger von der Ausgießung eines Geistes, den ich für irgendwie heilig hielt, empfänglich gewesen. Es war für mich der Geist der Gründungsväter der USA, der Geist eines Jefferson, Franklin, Washington. 

Beeindruckt hatte mich, wie damals Weizsäcker, „daß zahllose Menschen, die verzagt und verzweifelt gewesen waren, einen gemeinsamen Lebensinhalt empfanden; das also, was die Anhänger der Bewegung ihren Idealismus nannten.“ In meinem Fall war es die Bewegung der 68er-Jahre.

Was lag dahinter?, fragt er. „Als ich als Kind zum ersten Bewusstsein erwachte, war Krieg.“ Aus der Welt der Erwachsenen empfing er die Botschaft:

„Die Welt ist voller Morden.“ Viele von uns haben es ähnlich empfunden, als Präsident Lyndon B. Johnson ein fernes, kleines Bauernvolk mit der Übermacht seines industriellen

Potentials angriff.

Später habe die Bergpredigt seinen Glauben an die Legitimität der bürgerlichen Gesellschaft zerstört, schreibt Weizsäcker, und er habe ihn nie ganz wiederherstellen können.

Bei mir war es nicht die Bergpredigt, die meinen Glauben an die Legitimität der

bürgerlichen Gesellschaft zerstört hat. Es war die Erfahrung, dass ich von allen Medien, denen zu vertrauen man mich gelehrt hatte, belogen wurde.

„Ich gehöre zu denjenigen Deutschen, die das Faktum des Nationalsozialismus nicht bewältigt, sondern überlebt haben.“ So Weizsäcker. Er überlebte, weil er – ich verweise auf den Beginn meines Beitrags – die Fähigkeit zum widerstrebenden Konformismus nutzte.

Auch mir bleibt kein andere Möglichkeit. Noch einmal für unsere rechtsstaatliche Demokratie aktiv einzutreten, bin ich zu alt. Dass unsere Eliten Geld stehlen, um gegen die Bestohlenen Krieg zu führen, ist entsetzlich, schmachvoll, erniedrigend. Doch ich kann es nicht ändern, so wenig es Weizsäcker damals möglich war. Er schreibt: „Der Widerstand, moralisch so verehrungswürdig, beruhte inhaltlich weitgehend auf dem Glauben an die ungebrochene Gültigkeit politischer, auch religiöser und kultureller Denksysteme, deren Brüchigkeit durch Hitlers Erfolg wie durch einen Blitz erleuchtet worden war.“

Carl Hanser Verlag, 1977

 

Auch für mich  ist der Glauben an die ungebrochene Gültigkeit von Anstandsnormen zerstört worden.

Michael Molsner

 

 

Mittwoch, 22. Oktober 2025

Bleierne Zeit

 

Fünf Buchstaben

 

„Die AfD in Thüringen will zu Drohnenabwehr, Wasser- und Energieversorgung besonders genau Bescheid wissen. Innenminister Georg Maier hält Spionage für Russland nicht für abwegig.“ Heute 22. Oktober 2025 als Mitteilung der FAZ gelesen.

 

Gestern habe ich mir noch einmal den wunderbaren Truffaut-Film „Die letzte Metro“ angesehen.

Mit einem unerwarteten tiefen Erschrecken habe ich abgebrochen bei der Szene, in der Lucas Steiner durchdreht. Er – Jude – hockt in seinem Versteck und löst die Kreuzworträtsel der Zeitungen und hört Radio. Im Rätsel sucht er „Inbegriff von Abschaum,  waagrecht vier Buchstaben: Jude“, „Gefährlicher Krimineller, vier Buchstaben senkrecht: Jude“. Undsoweiter.

Ich hatte es eigentlich immer makaber-komisch gefunden. Man leidet ja auch mit seiner geplagten Ehefrau Cathérine Deneuve, die es aushalten muß wie wir Zuschauer. Gestern nun überfiel oder durchwolkte mich (blödes Wort) eine Art Schwäche. Ich konnte nicht mehr, stand auf, schaltete ab. Schnappatem. Was war passiert?

Nach Luft ringend ging ich ein paar Schritte, trank einige Schluck Tee, versuchte mich zu fassen. Dann erst traute ich mich in die Küche, wo meine Frau am Herd stand.

„Mir ist plötzlich klar geworden“, gestand ich, „dass es unsere Situation ist, die Steiner anprangert. Wir lesen Zeitung und erfahren: „Konjunktur schwächelt – Ursache mit fünf Buchstaben: Putin.“ Oder „Drohnen über Flughafen: Ursache mit fünf Buchstaben: Kreml“. Unser Land sei im Krieg, gegen wen? Richtig, fünf Buchstaben…

Und hören wir Radio: „Nicht genug Schutzräume im Kriegsfall! Wen freut es? Fünf Buchstaben“. Manch ein EU-Land glaubt nicht an Kriegsgefahr, wem nützt es? Fünf Buchstaben...

„Ich will weg!“, brüllt Steiner auf. „Weg von diesen Irren, die sind alle wahnsinnig!“ Seine Frau schlägt ihn bewusstlos, als er sein Versteck verlassen und sich bei der deutschen Kommandantur melden will, „um den Irrtum aufzuklären“. Als er zu sich kommt, desinfiziert Cathérine die Kopfwunde mit Jod. „Wir müssen aushalten.“

Das Happyend ist dann, dass Befreier kommen.

US-Panzer rollen die Boulevards entlang, Ernest Hemingway befreit Shakerspeare&Co., eine Buchhandlung in Paris.

Uns befreit niemand, das ist der Unterschied. Manche erhoffen es sich von – richtig, fünf Buchstaben, Trump. Doch wer, wie ich, seit vielen Jahren verfolgt, was unsere Zeitungen und Zeitschriften von ihm halten, was wir im Radio über ihn hören, was die Fernsehkorrepondenten von ihm berichten -  der muss seine Hoffnungen überprüfen.

Unser Problem ist exakt das von Steiner. Durch eigene Kraft ist Rettung nicht absehbar. Und wann Befreier kommen, wissen wir nicht.

 

Michael Molsner

 

 

 

Montag, 29. September 2025

Oskar Maria Graf

 

Die gezählten Jahre, Roman von Oskar Maria Graf

Nachwort von Jean Améry


Eine antiquarische Buchhandlung „Die Fundgrube, bei der Volksoper“ in Wien hat den Roman von Oskar Maria Graf geliefert. Ich hatte das Buch eigentlich nur wegen des Nachwortes bestellt, „Ein deutscher Realist“, titelt Améry. Das klingt interessant und gibt wieder einmal zu denken. Das Nachwort fragt uns: „Ist das Wahre das 'Ganze' oder ist vielleicht wahr im geschichtlichen Sinne ausschließlich das moralisch Legitime?“

Die Antwort kennt nicht nur der Wind. „Eine halbe Wahrheit entpuppt sich oft als eine ganze Lüge“, lautet ein Aphorismus Benjamin Franklin's.

Der kluge Jean Améry weiß das selbstverständlich. Wenn er die Frage dennoch nicht als rhetorische, sondern als Suggestivfrage stellt, als sei eine andere Antwort als Zustimmung gar nicht möglich, dann gibt es Gründe – einen Grund. JA ist geprägt nicht nur von der Folter, die ihm angetan, auch von der Menschenverachtung und -vernichtung, die er miterlebt hat.

Dass es das gegeben hat und – wie er annehmen muss – weiterhin geben wird - erfüllt ihn mit Empörung. Diese ist es, die ihn am Leben erhält. Am Leben als Diskutant. Erst als die Einsicht wächst, dass Widerspruch hilflos bleibt, resigniert er, wird Suizidant. Wir haben ihn verloren.

Er lässt uns zurück mit der Frage, die er im Nachwort stellt. Graf antwortet darauf nicht in dem Roman, den Améry als realistisch lobt, sondern sehr deutlich in seinem Erinnerungsbuch „Gelächter von außen“, nämlich von New York aus, wo er zwanzig Jahre lang als Emigrant lebte.

In seinem Roman schildert Graf die Selbstzerstörung der Sozialdemokratie in der Zeit zwischen Bismarcks Verbot der Partei und der Vernichtung der Partei durch die Nazi nach 1933. Geblendet von parlamentarischer Macht habe die SPD-Führung es versäumt, die Machtstellung der Besitzenden zu beseitigen, als sie es noch konnte. Und dass man die Vernichtung der Kommunisten den Rechts-Konservativen überlassen habe, obgleich unter Stalins Führung der Sowjetsozialismus antisozial geworden sei.

In seinen Erinnerungen „von außen“ kommt Graf zum entgegengesetzten Schluss. Einem Emigranten, der Stalin und Hitler als Menschheitsverbrecher gleichgesetzt wissen will, widerspricht Graf mit wirkungsvoller Ironie. Er weiß inzwischen, was die Menschheit dem Bündnis zwischen den USA und der Sowjetunion verdankt – es ist die Verhinderung des drohenden Weltfaschismus. Mit ausschließlich moralischen Mitteln wäre die Allianz des europäischen mit dem asiatischen Imperialismus nicht zu besiegen gewesen.

Wahr im geschichtlichen Sinne ist eben nicht nur das moralisch Legitime. Realitätsnähe erweist sich als unverzichtbar. Dass sie uns verloren gegangen war, erlebte Graf bei seiner Rückkehr nach München. Empört reiste er wieder ab. Empört. Empören auch wir uns. Endlich.


Michael Molsner

Ermutigung zum Aufstand

 

Farbrevolutionen

Ermutigung zum Aufstand in Feindesland


Irgendwer hatte mir eingeredet, Farbrevolutionen seien eine Erfindung der CIA – falsch, Schlauberger im Geheimdienst der USA haben die Strategie bei Benjamin Franklin abgeschaut. Franklin am 7. Juli 1775 an einen befreundeten englischen Bischof: „Dein ausgezeichneter Rat war, wenn wir Krieg haben müssen, möge er ausgetragen werden zwischen Nationen, die einst Freunde waren und wünschen, es wieder zu werden.“

Benjamin Franklin vertritt den Standpunkt der amerikanischen Kolonien, deren Unabhängigkeit der britische König und seine Minister verweigern.

Franklin schreibt: „In diesem Regierungskrieg (der Briten) gegen uns (die US-amerikanischen Kolonien) wird ganz Europa genötigt, uns keine Waffen oder Munition zu verkaufen, so dass wir wehrlos wären und umso leichter gemordet werden könnten. Der humane Sir Draper, der gastfreundlich empfangen wurde in jeder einzelnen unserer Kolonien, rät den Sklaven, ihren Herren den Hals durchzuschneiden. Dr. Johnson, der „Besteuerung nicht Tyrannei“ gefordert hatte, empfiehlt nun den Sklavenaufstand und rät, indianische Wilde zu ermuntern, unsere Pflanzer in entlegenen Siedlungen anzugreifen. Sie sind die ärmsten und unschuldigsten aller Menschen, und die Art der Indianer ist es, Männer, Frauen und Kinder zu ermorden und zu skalpieren... Lord Dunmore und Gouverneur Martin haben schon, wie uns gesagt wird, Schritte ergriffen, um diesen Plan zu umzusetzen, indem ein Aufstand unter den Schwarzen angezettelt wird. Und Gouverneur Carleton, wie uns zuverlässig berichtet wird, war schon fleißig am Werk, Indianer zu bestechen, damit sie ihr Schreckenswerk begännen. Das ist eine Kriegführung wie zwischen Nationen, die niemals Freunde waren und nie wieder Freunde werden möchten, solange die Welt besteht.“

Eine Kriegführung, wie unser Außenminister sie gegen Russland empfiehlt, von dem er sagt, es werde immer unser Feind sein - „solange die Welt besteht“, heißt das, um Ben Franklin zu zitieren.

Die Aufstände, die wir in Feindesland anzetteln, bedienen sich Unzufriedener, die es überall gibt. Die Farbrevolution wird ausgelöst, sobald publikumswirksame Anführer der Unmutigen ausgerüstet, bewaffnet und weltweit propagiert werden können. Misslungen ist das jüngst in Russland (Navalnij), Venezuela (Guaido), Hongkong (Joshua Wong), erfolgreich war die Strategie bisher in der Ukraine (Selenskij).

Vor Diebstahl fremden Geldes nicht zurückzuschrecken, gehört zu den „tools“, den Werkzeugen solcher Kriegführung.


Michael Molsner

Samstag, 30. August 2025

Was ist Terrorismus

Was ist Terrorismus? Und was vielleicht nicht.

Wenn von Terroristen gesprochen wird, sollte von seriösen Medien beachtet werden, dass viele Staaten – auch Israel – von Befreiungsbewegungen gegründet oder geprägt wurden. Menachem Begin war Chef einer Organisation von Terroristen, bevor er für Jahrzehnte ein angesehener israelischer Politiker wurde. Er hat Anschläge verübt, das ist heute vergessen – doch ein Zeitgenosse Begins ist weltberühmt bis heute für die terroristischen Anschläge, die er organisiert und verantwortet hat. Jeder kennt den Namen: Lawrence von Arabien. Einer der großen Filme unserer Zeit trägt seinen Namen im Titel, die Hauptrollen spielen Peter O'Toole, Alec Guiness, Omar Sharif, Anthony Quinn... Archibald McLeish führt die Regie, das Werk dauer vier Stunden und wird mit einer Pause abgespielt.

Worum ging es diesen zwei sehr ungleichen Terroristen. Nicht gerade und dasselbe, aber um ein sehr ähnliches Ziel. Menachem Begin wollte die zerstrittenen jüdischen Organisationen vereinen. Der „Prinz von Acqaba“ strebte die Versöhnung der arabischen Stämme an. Begin war erfolgreich, heute kennen nur noch Historiker seinen Namen. Lawrence hat sein Ziel verfehlt, doch seinen Namen nicht nur, seine Bücher gelten als Weltkulturerbe.

Wenn wir vom Terrornetz der Hamas sprechen, wäre daher wohl eine Frage, ob die Hamas Terroristen wie die Entführer von Hanns Martin Schleyer repräsentiert. Mit Recht hat Helmut Schmidt erklärt: Der Staat lässt sich nicht von Terroristen erpressen. Die RAF war ein Terrornetz. Sie befehligte keine reale Volksmacht. Das Mandat für Anschläge hatte sie sich selbst zugesprochen. So handeln Anarchisten. Als „links“ dürfen Anarchisten sich nicht bezeichnen, sie sind weder Kommunisten noch Sozialisten und lassen ihre Willkür von niemandem einschränken.

Eine andere Lage haben wir vor uns, wenn wir bedenken, dass auch Ho Chi Minh als Terrorist bezeichnet wurde. Dennoch hat Henry Kissinger mit ihm verhandelt. Das hat ihn nicht die Freundschaft mit Helmut Schmidt gekostet. Ho strebte die Befreiung von Kolonialherren an und hatte eine Massenbewegung mobilisiert. Ähnliches gilt für Chu En Lai, dem Richard Nixon die Hand reichte – und Mao Zedong. Auch die amerikanischen Revolutionäre um Thomas Jefferson wurden Terroristen genannt, und tatsächlich haben alle Genannten von Begin über Ho und Chu und Mao terroristische Anschläge zu verantworten gehabt. Auch Fidel Castro und Che Guevara. Sie standen dazu. Hätten sie nicht gehandelt, wären ihre Völker wohl noch immer kolonialisiert.

Wir sollten uns daher die Frage stellen, ob diejenigen, die einen terroristischen Anschlag begehen, Befreiung von Kolonialherrschaft betreiben. Falls dem so wäre, müsste mit der Zuordnung des Beiwortes „terroristisch“ vorsichtiger umgegangen werden.

Mache ich mich strafbar, wenn ich nachdenke?

Michael Molsner

 

Unglaublich

 

Unglaublich


Ich melde eine unglaubliche, meines Erachtens freche und schamlose Verfälschung von Tatsachen auf der Webseite der Tagesschau. Mit Stand vom 28.08.2025 07:27 Uhr war da zu lesen: Um das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren zu feiern, fährt Peking groß auf...

Es ist glatt gelogen, dass Peking zur Militärparade am 3. September 26 ausländische Staats- und Regierungschefs erwarte, nur um sie mit der Trivialität zu langweilen, dass das Ende des Zweiten Weltkriegs gefeiert werden könne.

Für wie blöd hält man die Chinesen, die 26 Eingeladenen und – vor allem – für wie krass verdummt hält man uns?! Es ist eine Beleidigung. Ich kann kaum an mich halten. Haben diese Kollegen, die so etwas schreiben und dann auch noch veröffentlichen, ein Gewissen?

Tatsache ist, dass China die große Militärparade am 3. September veranstaltet, um den Sieg des chinesischen Volkes im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression und gegen den weltweiten antifaschistischen Krieg am achtzigsten Jahrestag voller Stolz auf den eigenen Beitrag zu unser aller Befreiung zu feiern.

Darum geht es bei dieser Parade!

Dass die Chinesen im Pazifik die Hauptlast des Krieges gegen die schier unvorstellbare Grausamkeit der Japaner getragen und die meisten Opfer gebracht haben, wusste der Kriegspräsident der USA, Franklin Delano Roosevelt. Er litt darunter, den Chinesen nicht helfen zu können, doch er wagte es nicht, Kräfte aus Europa abzuziehen. Hätten das Dritte Reich und der Kriegsimperialismus der Japaner gesiegt, wären wir alle zur Beute von Räubern geworden, die Mitgefühl für Schwäche und Grausamkeit für notwendige Härte hielten.

Ist das wirklich niemandem klar, der für die ARD Nachrichten formuliert? Ich kann es nicht glauben und muss wohl von einer bewussten Lüge ausgehen, die uns zugemutet wird.


Michael Molsner

Panama

 

PANAMA


Meine Frau fragt mich: Verstehen sich unsere Parlamentarier als Volksvertreter? Oder als Interessenvertreter? Und im ungünstigsten Fall als Vertreter nur ihrer eigenen Interessen?

Daran knüpfe ich weitere Fragen. Wenn das so wäre, würden wir es merken? Könnten wir etwas dagegen tun? Ja, sicher.

Heute haben wir die Wahlscheine für die bevorstehenden Wahlen am 14. September bekommen. Vier verschiedene Gremien sind zu besetzen, für jedes gibt es zahlreiche Kandidaten. Gewählt wird jedoch nur der OB als Person, die anderen Listen sind mit Personen bestückt, die wir nicht kennen. Da entscheiden wir uns für die repräsentierte Partei. Eine wird öffentlich stets als de facto unwählbar bezeichnet, ist jedoch de jure – dem Gesetz nach – wählbar.

Dieser eigenartige Zwiespalt beruht auf der Tatsache, dass alle Parteien sich selbst ein sogenanntes „label“ anhängen, eine Kennmarke. So steht die CDU für christliche Prägung, die SPD für soziale Gerechtigkeit, die FDP für Liberalität, und die anderen – das müsste ich recherchieren, JUDU steht für Junges Duisburg.

Der de facto unwählbaren Partei wird ein Label angehängt, das sie zurückweist. Rassismus wie unter den Faschisten als Gesinnung und Umsturzpläne. Dass sie nicht längst verboten ist, wird ständig mit Verwunderung diskutiert. Offen wird erklärt, kein Mitglied dieser Partei dürfe für staatshoheitliche Aufgaben eingesetzt werden. Wer wird da sein Zeichen setzen wollen? Soll ja auch niemand.

Das ist die Lage.

Die Frage ist jetzt, wie zuverlässig sind wir über die Parteien und ihre Vertreter informiert? Ich habe ein Buch von Wilhelm Herzog gekauft: PANAMA. Der Verfasser hat es in Pacific Palisades, Kalifornien, beendet; als antifaschistischer Emigrant. Er bezeichnet den Panama-Skandal als den größten Korruptionsskandal der Geschichte. Zwischen 1904 und 1914 wurde der französische Mittelstand enteignet, indem man Kleinbürger überzeugte, ihre Rücklagen in faule Kredite zu investieren. Das war möglich, weil die Organisatoren hohe Gewinne versprachen und sowohl Parlamentarier wie Medienvertreter einfach bestachen, dafür zu werben. Das ist alles gut dokumentiert und unbezweifelbar.

Dieses Buch lesend, komme ich zurück auf die Fragen meiner Frau und gebe sie weiter an alle, die es angeht: to whom it may concern.

Sitzen wir einem Korruptionsskandal auf? Sollen wir unsere Rücklagen in faule Kredite investieren? Steht die Enteignung des Mittelstands bevor? Was wären die Folgen?


Michael Molsner