Heidegger hat Paul Celan verehrt, der ihn öfters besuchte und diesen Blick in einem Gedicht festgehalten hat. Es ist zu finden in dem Band LICHTZWANG. Es heißt TODTNAUBERG: "Arnika, Augentrost, der/ Trunk aus dem Brunnen mit dem/ Sternwürfel drauf..." Bitte selbst weiterlesen.
Es sind, finde ich, wundersame Verse. Celan sieht den Stern und fühlt sich, wie mir scheint, selbst in einer Sternstunde. Unglaublich.
Keineswegs schwer erklärlich, nur bisher kaum bekannt gemacht, dieses Verhältnis des Dichters zu dem Verehrer, der alle Gedichtbände Celans erworben hatte und, wie ich erfahre, viele auswendig wusste.
Wer einen Widerspruch darin sieht, dass der Mann, welcher der Mordmaschine des Holocaust entkommen war, ausgerechnet Martin Heidegger begegnen wollte, erliegt einem Fehlschluss. Das jedenfalls ist die Folgerung, zu der ich gelange. Paul Celan lehnte nicht Individuen ab, die einem Irrtum erlegen waren. Das wäre ja auch dumm gewesen, und Paul Celan war klug. Was er unerträglich fand, war das, was Kurt Tucholsky "die Bocherie" nannte. Das in der Nachkriegszeit selbstgerecht sich wieder aufblähende deutsche Spießertum. "Warum lasst ihr euch nicht erst mal die Haare schneiden" - das hörten wir 68er zeitgleich mit den immer schwerer aufs Herz schlagenden, immer umfangreicheren Informationen über das, was "wir" vergessen sollten.
Celan ist in die Seine gegangen, nicht nach Deutschland. Thomas Mann in die Schweiz. Hannah Arendt mit ihrem Mann in die USA. Jean Améry nach Belgien. Primo Levy in den Tod. Heinrich Heine nach Frankreich.
Wir erleben nun, wie alles, was unsere Generation erreicht hatte, verloren gegeben wird. Wir werden im geostrategischen Schachspiel einem klar voraussehbaren "Matt" entgegen geführt. Die es geahnt und darunter gelitten hatten, Heidegger, Celan, Ernst Jünger, Kurt Tucholsky, Jean Améry, Hannah Arendt, Herinrich Heine - wen habe ich vergessen? - sind im Ausland begraben.
Zum Schluss etwas Erheiterndes - muß immerhin auch noch erlaubt sein. Die langjährige Freundin, die mich auf Celans Werk aufmerksam machte, schrieb mir mal über einen Flecken in der Provinz: "Da möchte ich nicht tot überm Zaun hängen". Ich musste laut lachen.
Wenn ich heutigen Tages darüber lache, frage ich mich, ob nicht hinter diesem Scherzwort ein grimmiger, aktueller Ernst sich verbirgt.
Die Fotografie hat meine liebe Frau für mich heraus gegoogelt. Ihre Beiträge zu den oben dargestellten Überlegungen waren mir wichtig.