Der Hölle
entstiegen?
Meine Vorschläge zur
Rettung:
Meiner Partei, meines
Vaterlandes, meiner Muttersprache
Als lebenslanger
Sozialdemokrat setze ich mich mit den Erfahrungen auseinander, die meine Partei
mit der Brandmauer gemacht hat. Mit dem erklärten Ausschluss aus der
Lebensgemeinschaft. Wir Sozialdemokraten waren zu Kaiser's Zeiten allenthalben
als „vaterlandslose Gesellen“ verschrien.
In die Volksgemeinschaft
aufgenommen hat unser Kaiser uns erst, als er uns brauchte: um Krieg zu führen.
Nun kannte er keine Parteien mehr, nur noch Deutsche. Nicht wenige von uns
waren geschmeichelt. Die Konsequenzen an der Front und im KZ waren unerfreulich.
Doch so weit muss ich nicht
zurück gehen.
Ich erinnere mich, wie ich
aus der Lebensgemeinschaft ausgeschlossen wurde. Es war nach unserem Umzug von
München ins Allgäu. Als ich Fraktionsführer meiner Partei im Gemeinderat wurde,
erfuhr ich: Wer unsere Bräuche nicht mitmacht, gehört nicht zu uns. Dass Bayern
wie andere Bundesländer sich auf die Einhaltung unseres Grundgesetzes verpflichtet hatte, musste ich mit Nachdruck
durchsetzen. Es war nicht leicht.
Die Verfassung der
Bundesrepublik Deutschland war bei manch einem Trachtler noch nicht angekommen.
Und dazu gehört – schon
vergessen? – die nachdrückliche Warnung von der Kanzel. Wir Sozialdemokraten
wurden gewarnt, unser Kreuz niemals bei denen zu setzen, die sich zum Atheismus
bekennen. Gemeint waren wir. War die SPD. Nun, meine Partei bekannte sich
erstens nicht zum Atheismus, sondern zur Religionsfreiheit, was etwas anderes
ist. Und zweitens war ich selbst nicht gewillt, mir von wem auch immer meine
verfassungsrechtlich garantierte Wahlfreiheit streitig machen zu lassen. Dass
ich dafür in der Hölle schmoren würde, wie jetzt wieder von einem Ex-Kanzler
meiner Partei angedroht, glaubte ich nicht.
Jesus hat uns gern, trotz
unserer Fehler – hörte ich dieser Tage erst im Film ZWINGLI, der zum
Reformationstag im Fernsehen lief.
Unsere Erfahrungen mit der
Brandmauer, Erfahrungen als Partei und als Person, in lang vergangener und in
jüngst vergangener Zeit, sind eindeutig. Wir waren die Opfer von Brandmauern,
auch wenn sie noch nicht so hießen – niemals die Nutznießer.
Wenn jetzt einzelne Personen
oder ganze Parteien als Verbündete unserer Feinde bezeichnet werden, kennen wir
das bestens. Wie bezeichnete Franz Josef Strauß uns linke Publizisten? Ratten
und Schmeißfliegen seien wir. Und über Willy Brandt? „Was hat er draußen getan,
unter anderem Namen? Wir wissen, was wir drinnen getan haben. Unter unserem
eigenen Namen“
Jetzt also wird Alice Weidel
als Verbündete unserer Feinde bezeichnet. Wie einst Willy Brandt, als der
„Wandel durch Annäherung“ noch nicht akzeptiert war. Und wie Willy Brandt jetzt
wieder.
Sie ist in China mit einer
Dissertation über das chinesische Rentensystem promoviert worden, spricht
Mandarin. Wechselte dann in die Vorstände angesehener Bankhäuser wie Goldman
Sachs, auch in den USA, Großbritannien und Frankreich – und spricht neben Mandarin
auch Englisch, Französisch und hochdeutsch (besser als die meisten).
Sie wird nun beschuldigt,
sowohl mit dem Präsidenten der USA wie mit dem der Russischen Föderation wie
mit dem Chinas gute Beziehungen unterhalten zu wollen. Keinem dieser
Präsidenten will sie unsere aktuell gängigen Vorstellungen von guter Regierung
aufdrängen. Putin ist kein Förderer homosexueller Beziehungen, Alice Weidel
lebt in homosexueller Ehe, sie ist lesbisch. Xi Jinping fordert freien Handel,
Trump verhängt Zölle. Mit ihnen zu sprechen, hält Weidel nicht für Landesverrat
oder gar Hochverrat. Beides wirft man ihr vor. Ja mehr, etliche Personen, die
sich zu ihrer Partei bekennen, haben Hass und körperliche Gewalt zu erwarten.
Es wird öffentlich dazu aufgerufen.
Unsere Medien und Kirchen
reagieren, wie sie einst uns gegenüber reagiert haben. Unser
sozialdemokratischer Präsident Friedrich Ebert sei ein Verbrecher, befand Kurt
Tucholsky. Als Chef der Zeitschrift DIE WELTBÜHNE ließ er den Nachruf auf Ebert
von einem Mann der Moskauer Zentrale schreiben, der nach Deutschland gekommen
war, um die deutsche Arbeiterschaft zu spalten. Das gelang auch – mit den
bekannten Folgen.
Wir Sozialdemokraten sind
dabei, unserer eigenen Geschichte ins offene Messer zu laufen.
Der Bürger Thomas Mann hat
davor gewarnt, als es für eine Korrektur nicht zu spät war. Auch der Kommunist
Bertolt Brecht, er schrieb sinngemäß: Nach dem ersten Punischen Krieg sei
Karthago noch schön gewesen, nach dem zweiten noch mächtig, nach dem dritten
nicht mehr auffindbar.
Beide mussten emigrieren, um
ihr Leben zu retten. Das war damals.
Auch jetzt gibt es warnende Stimmen.
Michael Molsner