Mittwoch, 16. August 2023

Von Zeit zu Zeit

Imperialien. „The world is nearly all parcelled out, and what there is left of it is being divided up, conquered and colonised. To think of these stars that you see overhead at night, these vast worlds which we can never reach. I would annex the planets if I could; I often think of that. It makes me sad to see them so clear and yet so far.“ Erwürde die Sterne annektieren, wenn er sie erreichen könnte. Das ist eine Äußerung von Cecil John Rhodes, 1853-1902, (nach ihm ist Rhodesien benannt worden, inzwischen Zimbabwe und Zambia). Historiker und Politiker, auch Lenin, haben die Definition des Begriffs „Imperialismus“ auf ihn zurückgeführt. Lenin fand insbesondere die Begründung der Intention überzeugend: „In order to save the forty million inhabitants of the United Kingdom from a bloody civil war, our colonial statesmen must acquire new lands for settling the surplus population of this country, to provide new markets. ... The Empire, as I have always said, is a bread and butter question.“ Um den vierzig Millionen Briten einen blutigen Bürgerkrieg zu ersparen, müssten weite Bereiche für die Besiedlung und als Märkte erschlossen werden. Soweit Rhodes. Hannah Arendt in ihrem Buch über die „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ teilt mit, dass Rhodes den „scramble for africa“, den Wettkampf um afrikanische Kolonien, wenn nicht ausgelöst, so doch popularisiert habe. Es ist für die deutsche Philosophin die eigentliche, freilich zunächst verborgene oder verschleierte, Ursache für die Aufhäufung von Kapital in allen entwickelten Ländern gewesen. Kapital, das profitabel angelegt sein wollte, also Profitmöglichkeiten suchte, und diesen schnöden materiellen Ehrgeiz hinter dem Ideal einer Erziehung des Menschengeschlechts verbarg. Man musste die hohen kulturellen Werte, die man selbst erreicht hatte, um die Welt tragen, um sie mit denen zu teilen, die so weit noch nicht gekommen waren! Um diese Konzeption politisch durchzusetzen, bedurfte es der Erfindung des Rassismus, macht Hannah Arendt plausibel. Rassen seien bis dahin ein Begriff aus der Biologie gewesen; nun wurde er politisiert. Es gab neben den hochentwickelten die niederen Rassen. Wieder Rhodes: „I contend that we are the first race in the world, and that the more of the world we inhabit the better ist is for the human race...“ Die überlegene Rasse waren wir und je mehr von der Welt wir bewohnten, desto besser für die Menschheit. Man suchte Profit – Anlagemöglichkeiten für Kapital – und verkaufte diese Suche als den Export von Werten. Als christlicher Humanismus konnte das auch die Kirchen überzeugen. Missionare wurden ausgesandt. Es gibt eine berühmte und oft verfilmte Erzählung von W. Somerset Maugham über die Problematik solcher Missionierung: „Rain“ im Original, (die deutschen Übersetzungen sind unterschiedlich betitelt). Maugham hat auch Romane geschrieben, die das Thema aufgreifen, der wohl berühmteste: „Cakes and Ale“. Die Heuchelei wurde selbstverständlich durchschaut, der Propagandaschleier zerrissen. Von der Linken war das als Selbstverständlichkeit zu erwarten. Aber auch die Rechte nutzte die Technik der Entlarvung. Der Antisemitismus konnte als neue, unerwartete und auch hochinteressante, insofern unterhaltende Erneuerung und willkommene Belebung von Debatten angeboten werden. Dieser Aspekt wird von großen Schriftstellern dargestellt. Marcel Proust: „Die Suche nach der verlorenen Zeit“, „Sodom und Gomorrha“ und „Die Welt der Guermantes“; und Thomas Mann. „Ich überlasse euch zur Plünderung – die Welt!“, heißt es in seiner Erzählung „Beim Propheten“; „Mario und der Zauberer“ berichtet von der hypnotischen und zerstörerischen Wirkung des Narrativs. Geradezu hellseherisch wirkte auf mich immer die Erzählung von einem religiös verwirrten Mann, der sich als Schwert Gottes, „Gladius Dei“, begreift. Doch zurück zum Wunschtraum des Erzimperialisten Rhodes. Er sei ganz traurig, gestand er, wenn er an diese Sterne denke, die man des Nachts hoch oben sieht, diese weiten Welten, die wir niemals erreichen. Ich würde die Sterne annektieren, wenn ich könnte; daran denke ich oft. Es macht mich traurig, sie so so klar zu sehen und doch so entfernt zu wissen.“ Uns sind die Sterne näher. Ihre Kolonisierung ist geplant. Der „scramble for africa“ hat sich zum „scramble for space“ entwickelt. Aus dem Krieg von Großmächten gegen einander bahnt sich ein Krieg von Großimperien gegen einander an. Damals genügte ein Attentat, wie es in Randstaaten öfters vorkam, um den Ersten Weltkrieg zu entzünden.

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