Montag, 25. Dezember 2023

Weihnachtsbotschaften

Nach einer mir seit vorgestern, 23.12., vorliegenden Meldung hat Macron die EU-Sanktionen gegen Russland für gescheitert erklärt. Europa und die USA seien unfähig gewesen, den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft herbeizuführen. Das also war das Ziel, wie der französische Präsident gewiss nicht ohne Grund geglaubt hat. Bisher war mir nur von der grünen Parteispitze bekannt, dass sie Russland ruinieren will. Macrons Eingeständnis hat ein ganz anderes Gewicht! Falls jemand sich nicht vorstellen kann, was die Teilnahme an einem Krieg für deutsche Soldaten bedeutet, hier eine Skizze vom Weihnachtsfest 1944 an der Westfront. Ich las darüber bei Robert Capa. „Die Deutschen griffen am ersten Weihnachtsfeiertag um 03.00 Uhr an“, hatten bei Tagesanbruch zwei Breschen geschlagen, wurden jedoch abgeriegelt: „Von den achtzehn durchgebrochenen Panzern wurde jeder außer Gefecht gesetzt, von der Infanterie entkam nicht ein Mann. Am Vormittag war die amerikanische Front wieder hergestellt.“ Dies ist jetzt der zweite Kriegswinter, den ich in Deutschland als einer aktiv kriegführenden Macht erlebe. Wieder ist der Kriegsherr das beliebteste Mitglied der Regierung. Unser damaliger Kriegsherr warnte in seiner Weihnachtsbotschaft vor Kriegsmüdigkeit, die könnten wir uns nicht leisten. Friss, Vogel, oder stirb! Das sei nun einmal das unveränderliche Naturgesetz. Auch unser aktueller Kriegsherr warnt unentwegt, gefühlt täglich, vor Kriegsmüdigkeit. In meinem gratis verteilten Wochenanzeiger lese ich von ihm: "Wir haben jetzt ungefähr fünf bis acht Jahre, in denen wir aufholen müssen." Dies zu den aktuellen Anforderungen an die Rüstungsindustrie und die eigenen Streitkräfte. Vom Trost, der in der christlichen Verheißung liegt, sind beide Ansprachen weit genug entfernt, um als "woke" durchzugehen. Ganz anders das zum altchristlichen Glauben zurückgekehrte Russland, das wir seinerzeit ohne Kriegserklärung überfallen haben und gegen das wir nunmehr, abermals ohne Kriegserklärung, ins Feld ziehen. Stalin hatte sich auf die feierliche Vereinbarung eines Waffenstillstands mit dem deutschen Außenminister verlassen, das hätte sein Land ums Haar den Sieg gekostet. Putin verließ sich fest auf die Vereinbarungen, die von Deutschland unterzeichnet waren - und noch einmal hätte er fast einen Totalverlust riskiert. Wozu unsere Kriegsmeister Putins Niederlage genutzt hätten, siehe oben. Sie geben es offen zu, es wird nicht geleugnet. Und ich bin nun zum zweiten Mal Flüchtling im eigenen Land. Wo es kein Vaterland gibt, in dem ich Sonderrechte beanspruchen dürfte, lediglich einen geografischen Raum, in dem ausländische Geflüchtete mir gleichgestellt sind - bin ich, was ich 1945 war. Fremd.

Donnerstag, 21. Dezember 2023

How many kids did we kill today?

As much as 90% of the money Washington allocates for assistance to Ukraine is being spent within the United States, U.S. Secretary of State Antony Blinken said at a press conference on Dec. 20. The aid in question is security assistance, spent "to the benefit of American business, local communities, and strengthening the U.S. defense industrial base," Blinken said, according to Voice of America. Blinken hatte das auch zuvor schon gesagt. Ich wiederhole, was er selbst ersat gestern wiederholt hat, weil ich es leid bin, die Lügen, mit denen wir überschüttet werden, widerspruchslos hinzunehmen. Es geht den USA nicht um die Ukrainer, sondern um die USA. Und es geht im Mittleren Osten nicht um Israelis oder Palästinenser, sondern ebenfalls um die USA und ihr Interesse. Die Stabilisierung von geopolitischen Vorteilen duldet keine humane Regung, außer privat. Wie sagte Madleine Albright? Die Vertreibung der Sowjets aus Afghanistan ist den Tod von 500 000 afghanischen Kindern wert gewesen. Schon vergessen? Das sentimentale Gewinsel jetzt: Ach, die armen Kinder. Ach, die Grausamkeit der Mächtigen ist das Problem. Und wir schon wieder begeistert mit dabei. Hey hey hey, what's our way? How many kids did we kill today?

Mittwoch, 20. Dezember 2023

Lyrik umschreiben

Klein ist, mein Kind, dein erster Schritt, klein wird dein letzter sein. Den ersten gehen Vater und Mutter mit Das musste ich für meine Kindheit bereits umformulieren: den ersten gehn Oma und Opa mit Denn ich bin ohne natürlichen Vater aufgewachsen. Wie sieht das nun heute aus? Viele Frauen, lese ich im Internet, ziehen ambulante Beziehungen zu Männern den traditionellen stationären Bindungen vor. Also, ambulante Beziehungen zu Männern hatte meine Mutter reichlich. Bekommen ist es mir nicht. Wie ergeht es anderen Kindern? Angeblich bestens. Ein ganzes Rudel von Ersatzeltern sei überhaupt das allerbeste, wird uns in dem Film „Der Tag der toten Ente“ versichert. Nur allerdings, Menschen sind keine Rudeltiere, ich jedenfalls war nie eines. Das Gedicht, das seine frühere Gültigkeit eingebüßt hat, ist zu finden unter dem Titel „Die Schritte“. Verfasser ist Albrecht Goes. Ich bin kein Fan von ihm, kenne auch sonst nichts aus seiner Feder. Doch dieses eine kleine Gedicht beschäftigt mich dieser Tage immer wieder. Den ersten gehen Elternteile 1-2 mit? Oder eher: Den ersten geht Mutter mit irgendeiner ambulant gebundenen Ergänzung mit?

Dienstag, 12. Dezember 2023

Wunsch und Wirklichkeit

In der letzten schweizer Wochenzeitschrift Weltwoche lese ich noch einmal, zum Vergleich mit unseren deutschen Medien, das Interview mit Jacques Baud. Er war schweizer Nachrichtenoffizier und Uno-Friedensmissionar. Seine Antworten in Kürzestauszügen: "Ich habe den Eindruck, dass dieser Krieg auch ein Krieg der USA gegen Europa ist...Übrigens haben amerikanische Politiker gesagt, dass der Krieg in der Ukaine ein billiges Mittel sei, um Russland zu bekämpfen, ohne dass wir das Leben unserer eigenen Soldaten gefährden... Auserdem veröffentlichte im März 2019 die amerikanische Rand Corporation auf 300 Seiten eine detaillierte Strategie für das Pentagon, wo alles, was man heute sieht, schon beschrieben war... Ich habe keine Kristallkugel. Aber ich glaube, dass der Westen das Problem hat, sich aus der Krise zu winden, ohne das Gesicht zu verlieren. Das ist die Quadratur des Kreises. Verfolgt man den Machtkampf, der sich jetzt in der Ukraine abspielt, könnte es sein, dass der für Moskau prognostizierte Regimewechsel jetzt in Kiew stattfindet... Ich hoffe, dass wir zur Vernunft zurückkehren und nicht einfach nur in Gewalt denken." Insgesamt sieht er ein unbegreifliches Wunschdenken bei westlichen Geheimdiensten und Medien und Militärs. "Der grösste Fehler, den man im Krieg machen kann, ist, seinen Feind zu unterschätzen... Es geht um die Beurteilung der Lage. Es geht nicht um unsere eigene Meinung... Von einem Regimewechsel in Moskau war die Rede, von einer Niederlage Russlands. Das ist nicht passsiert. Putins Popularistät ist ungefähr gleich, sogar ein bisschen gestiegen. Wirtschaft hat sich verstärkt, aus das Wachstum. Im Gegensatz zu Europa. Im Grunde genommen geht es Russland heute besser als vor einem Jahr." Die Weltwoche müsste die ganze Woche noch erhältlich sein. Eine überaus lesenswerte Ausgabe! Die genannten fakten sind das genaue Gegenteil dessen, was man uns erzählt.

Samstag, 2. Dezember 2023

Grobschlächtig, hölzern, plump

Die junge welt abzubestellen, deren Abonnent ich noch bin, fällt mir nicht leicht. Sie mutet mir aber die gleichen Beleidigungen meines Anstandsgefühls zu wie das Handelsblatt und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die ich schon vor Jahren abbestellt habe. Aktuell erbost mich vor allem der Titel, den sie über den Nachruf auf Henry Kissinger gesetzt haben: Unkraut vergeht doch. So etwas tut man nicht, meine ich. Zumal das in China und Russland ganz anders gesehen wird. Xi Jinpin sagte, als Henry K. im Sommer zu Besuch nach China kam: „Ein alter Freund wie Sie wird nie vergessen“. Putin drückte der Familie des Verstorbenen sein Beileid aus. Die Annäherung zwischen China und den USA, die er zustande brachte, nennt die Financial Times vom gestrigen Freitag, 1. Dezember 2023, „a staggering achievement by any standards“ (eine erstaunliche Leistung nach jedem Maßstab). Das chinesische Fernsehen sprach von einem traurigen, einem großen Verlust. Und der Atomwaffensperrvertrag („nuclear arms control deals“) mit der Sowjetunion sei von enormer Bedeutung gewesen, beinahe auf gleicher Ebene mit dem Durchbruch in Bejing. Die Angst, dass jederzeit ein Atomkrieg unseren Planeten zerstören und die Menschheit vernichten könnte, habe der Diplomat uns damals für’s erste genommen. Dass der „Gigant der US-Diplomatie“ ein umstrittenes Erbe (a divisive legacy) hinterlässt, um noch einmal die Financial Times zu zitieren, dürfen wir freilich anmerken. Es könnte und sollte ein Hinweis darauf sein, was Realpolitik an Unheil stiftet – falls unsere Kriege gegen Russland uns darüber noch nicht genügend belehrt hätten. Aber „Unkraut vergeht doch“ – geht meines Erachtens nicht. Das ist der Holzhammer der DKP, die sich mit solcher Rhetorik in die Unwählbarkeit polemisiert hat. Und ich werde weiter auf der Suche nach einer Mitte-links-Zeitung sein, die mich umfassend informiert, ohne mein Anstandsgefühl zu beleidigen.