Donnerstag, 18. Juli 2024
Lebensgefährlicher Unsinn?
Michael Heiner Molsner
Kürzlich auf fb
Einige Sätze von Joseph Ratzinger fallen mir auf: "Die Festlegung des Ural als Grenze ist durchaus willkürlich, jedenfalls wurde die Welt östlich davon immer mehr zu einer Art Hinterhaus Europas, weder Asien noch Europa, vom Subjekt Europa wesentlich geformt, ohne selber an seinem Subjektcharakter teilzunehmen: Objekt und nicht selber Träger seiner Geschichte. Vielleicht ist damit überhaupt das Wesen eines Kolonialstatus definiert." Vielleicht - füge ich hinzu - ist damit das Wesen westlicher Außenpolitik definiert: Russland nicht mehr als Subjekt seiner Geschichte anzuerkennen, sondern es zu einem Objekt westlicher Interessen zu machen.
Noch beharren die Russen auf Gegenwehr. Und "solange der Irre in Moskau am Rad dreht, ändert sich nichts", teilte eine langjährige Freundin auf dieser fb -Seite mit.
Elke Jansen
Eine Menge älterer Herren schreiben und veranlassen eine Menge lebensgefährlichen Unsinn. Ratziner, Trump, Putin, Orban - Sie auch?
Michael Heiner Molsner
Jedenfalls höre ich gerne auf jüngere Frauen. So zum Exempel auf die sehr nachdrückliche Empfehlung Sarah Wagenknechts, Thomas Pikettys Buch „Kapital und Ideologie“ mit genauen Zahlen zu den Kosten von Gesinnungsökonomie zu lesen. Das ist nun aber ein kiloschwerer Backstein, ich habe zunächst in den knapp anderthalb tausend Seiten vor allem quer geblättert. Hängen geblieben bin ich an einer Stelle, die mich auflachen ließ. Er sagt da, was Filmfans als Witz kennen. Der Rektor einer Gesamtschule gibt einem Lehrer den Rat, sich selbst morgens zuerst zwei Fragen zu stellen: Wo bin ich und Wer bin ich. Könne man diese beiden Fragen zufriedenstellend beantworten, so sei der Start in den Tag gut gelungen. (John Cleese, „Recht so, Mister Stimpson“).
Piketty will diese Fragen dem eigenen Staat stellen. Wo bin ich, muss der Staat beantworten, indem er seine aktuellen Grenzen definiert. So erfahre ich, wohin ich gehöre und wo ich Schutz für mein Eigentum beanspruchen darf.
Es geht um den Teil meines Eigentums, der mir nach Recht und Gesetz gehört. Einerseits sind es Grundbesitz, Haus, Vermögen. Andererseits aber auch die ererbte eigene Sprache, die traditionellen Prägungen ebenso wie die erinnerten Umbrüche und Neuerungen. Das alles ist „mein“ und darf mir vom Staat nicht genommen werden – auch eingeschränkt und verändert nur nach Recht und Gesetz.
Wo ich innerhalb definierter Grenzen nicht materiell und kulturell geschützt bin, fühle ich mich nicht einheimisch, sondern fremd.
Abgehängt und nicht mehr daheim zu sein, ist ein weit verbreitetes Gefühl. Piketty hält diese Entwicklung für so gefährlich, dass gegengesteuert werden muss. Sarah Wagenknecht, wie ich sie verstehe, meint das auch. Ich stimme ihr zu und darf die Antwort erwarten, ich sei ein Verbreiter von „lebensgefährlichem Unsinn“.
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