Montag, 8. Juli 2024

Übereignung

Wenn ein Besitz auf neue Eigentümer übergehen soll, ist der Vorgang zu fixieren und beim Notar unter Zeugen zu beurkunden. Einzelne Bestimmungen sind genau umschrieben. Die Übernahme des im weitesten Sinn Palästina genannten Besitzes durch Israel sei beurkundet, hören wir aus Jerusalem, durch die Bibel genannte Heilige Schrift. Zeugen des Vorgangs seien Erleuchtete Gottes, eigentlich Gott selbst, der sich durch Menschenmund (Abraham, Propheten) geäußert habe. Aus Jerusalem hören wir auch Stimmen, die Palästinenser seien Tiere. Eigenen Willen gesteht man Tieren nicht zu. Besitzansprüche können sie nicht anmelden, es wäre albern. Ein Hund hat einen Herrn, aber keinen Anspruch darauf. Was an Tierschutz gewährt wird, beschließt nicht das Tier. Folgt alles logisch aus der Prämisse. Wer etwa die Prämisse, unsere Form der Demokratie sei die einzig akzeptable, als Ideologie ablehnt, muss leider, logisch folgernd, eine Sanktion nach der anderen gegen widerspenstige Staaten hinnehmen. Es tut uns ja selber weh, Russland die Beine wegzuschlagen, es auf absehbare Zeit zu ruinieren, wir sind keine Unmenschen – doch die Russen müssen sich, anders geht es nicht, uns fügen, ehe wir Ruhe geben dürfen. Wer vorher von Frieden spricht, verrät unseren Auftrag. Frage: Wer hat uns beauftragt? Unsere Geschichte. Sorry, so ist es halt. Die Welt ist kein Ponyhof. Terror, meint Hannah Arendt auf den letzten Seiten ihrer Abhandlung über Terror als Ideologie, findet seinen eigentlichen Ausdruck, wo Menschen keinen eigener Wille zugetraut wird. Im Konzentrationslager werden Menschen als Nutztiere ohne Tierschutz behandelt: Aus Eigennutz getötet. Hannah Arendt lehnt solche Logik ab und gibt zu bedenken, dass mit jedes Menschen Geburt ein Neuanfang gemacht ist. Prämissen können geändert werden. Vor neuerlicher A-B-C-Logik müsse man dann besonders auf der Hut sein. Hannah Arendt wurde als jüdische Antisemitin denunziert, weil sie das, was wir heute in Nahost sehen, voraussagen konnte. Sie hielt Liebe für Zutrauen. Für die Gabe, geliebten Menschen einen Neuanfang zuzutrauen. Wenn aus Ideen Ideologien werden und die Ideologien zu Prämissen mutieren, gar heilig zu haltenden, dann folgen aus der Prämisse Schlussfolgerungen. Sie folgen streng logisch eine nach der anderen. Ist doch alles klar und vernünftig, heißt es dann. Der letzte Herausgeber der linksgerichteten Zeitschrift DIE WELTBÜHNE, Carl von Ossietzky, hat im Januar 1932, kurz vor der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, dem berühmten Schriftsteller Erich Remarque spöttisch vorgehalten: Der Herr Remarque habe sich durch die Bemerkung, von Hitler wisse er nichts, selbst als politische Stimme zum Verstummen gebracht. Das hat ihm Remarque nicht übel genommen, sondern warnte ihn: Es sei schon zu spät, die Nazis noch im Innern Deutschlands zu bekämpfen, Gegner müssten das Land schleunigst verlassen. Der von Tucholsky kollegial „Oss“ Genannte war dann der erste, der verhaftet und im KZ zu Tod gefoltert worden ist. Hier setzt unsere aktuelle A-B-C-Logik ein. Nazis gibt es bei uns wenige. Aus wenigen machen wir viele. Nazi ist jeder, der uns wiederspricht. Putin ist Nazi. Wer ihn vernichtet, der vernichtet Hitler. Eines folgt aus dem anderen. Es ist logisch.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen