Montag, 8. Mai 2023

Eva's Apfel

Die aktuell gefährlichste Art der Selbstzerstörung ist für uns alle der hoffnungsvolle Gebrauch dessen, was Philosophen als instrumentelle Vernunft bezeichnen – Theologen sprechen von der Erbsünde. Philosophen meinen den Gebrauch der rationalen Fähigkeiten ohne Empathie, Theologen Triebverfallenheit ohne Berücksichtigung von Gottes Gebot. Die populäre Überlieferung der Erbsünde spricht davon, dass der erste Mensch sich von seiner weiblichen Partnerin verführen ließ. Das beantworten wir mit einem Lächeln und viel Verständnis. Wir vergessen darüber das für uns noch immer, und heute erst recht, weit bedeutendere Versprechen, das den Menschen gemacht wurde: Falls sie es über sich brächten, von der verbotenen Frucht zu essen, würden sie sein wie Gott. An Gottes Stelle setzen sich diejenigen, die ihre eigenen Regeln setzen. Sie bedienen sich der instrumentellen Vernunft, um Vernichtung und Verwüstung über ihre Gegner zu bringen. Nur so, glauben sie, erlangen oder erhalten sie ihre gottgleiche Macht. Sie wollen sein wie Gott. Gerade in unserer deutschen Geschichte gibt es dafür ein Beispiel. Wir hatten einen Staatslenker, der noch in den Tagen seines Niedergangs göttliche Verehrung durch uns Deutsche für möglich hielt. Er wollte auf dem Münchener Königsplatz in einem Marmorsarkophag aufgebahrt werden. Eine Ewige Flamme sollte von einer Ehrenwache der SS geschützt sein. Viel Volk würde an der Gedenkstätte beten. Das tatsächliche Ende dieses Versuchs wirkt nicht etwa abschreckend. Im Gegenteil. Auch unsere Staatslenker – alle, zu denen wir uns, wie einst, wieder mit leidenschaftlicher Hingabe bekennen, verlangen von aller Welt, dass nur unsere Auslegung allgemein anerkannter Regeln übernommen zu werden hat. Berücksichtigung von lokalen Umständen in Ausnahmefällen. Ansonsten gilt, die Rechnung ist ohne Abzug zu begleichen. Folgen, so furchtbar sie oft gewesen sind und noch sein könnten, seien als Kollateralschäden hinzunehmen. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Fallen Menschen, Tiere, Ernten. Es ist die Erbsünde. Sie besteht nicht darin, dass wir Männer die uns von Gott gegebenen Partnerinnen immer wieder so verführerisch finden.

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