Mittwoch, 22. Oktober 2025

Bleierne Zeit

 

Fünf Buchstaben

 

„Die AfD in Thüringen will zu Drohnenabwehr, Wasser- und Energieversorgung besonders genau Bescheid wissen. Innenminister Georg Maier hält Spionage für Russland nicht für abwegig.“ Heute 22. Oktober 2025 als Mitteilung der FAZ gelesen.

 

Gestern habe ich mir noch einmal den wunderbaren Truffaut-Film „Die letzte Metro“ angesehen.

Mit einem unerwarteten tiefen Erschrecken habe ich abgebrochen bei der Szene, in der Lucas Steiner durchdreht. Er – Jude – hockt in seinem Versteck und löst die Kreuzworträtsel der Zeitungen und hört Radio. Im Rätsel sucht er „Inbegriff von Abschaum,  waagrecht vier Buchstaben: Jude“, „Gefährlicher Krimineller, vier Buchstaben senkrecht: Jude“. Undsoweiter.

Ich hatte es eigentlich immer makaber-komisch gefunden. Man leidet ja auch mit seiner geplagten Ehefrau Cathérine Deneuve, die es aushalten muß wie wir Zuschauer. Gestern nun überfiel oder durchwolkte mich (blödes Wort) eine Art Schwäche. Ich konnte nicht mehr, stand auf, schaltete ab. Schnappatem. Was war passiert?

Nach Luft ringend ging ich ein paar Schritte, trank einige Schluck Tee, versuchte mich zu fassen. Dann erst traute ich mich in die Küche, wo meine Frau am Herd stand.

„Mir ist plötzlich klar geworden“, gestand ich, „dass es unsere Situation ist, die Steiner anprangert. Wir lesen Zeitung und erfahren: „Konjunktur schwächelt – Ursache mit fünf Buchstaben: Putin.“ Oder „Drohnen über Flughafen: Ursache mit fünf Buchstaben: Kreml“. Unser Land sei im Krieg, gegen wen? Richtig, fünf Buchstaben…

Und hören wir Radio: „Nicht genug Schutzräume im Kriegsfall! Wen freut es? Fünf Buchstaben“. Manch ein EU-Land glaubt nicht an Kriegsgefahr, wem nützt es? Fünf Buchstaben...

„Ich will weg!“, brüllt Steiner auf. „Weg von diesen Irren, die sind alle wahnsinnig!“ Seine Frau schlägt ihn bewusstlos, als er sein Versteck verlassen und sich bei der deutschen Kommandantur melden will, „um den Irrtum aufzuklären“. Als er zu sich kommt, desinfiziert Cathérine die Kopfwunde mit Jod. „Wir müssen aushalten.“

Das Happyend ist dann, dass Befreier kommen.

US-Panzer rollen die Boulevards entlang, Ernest Hemingway befreit Shakerspeare&Co., eine Buchhandlung in Paris.

Uns befreit niemand, das ist der Unterschied. Manche erhoffen es sich von – richtig, fünf Buchstaben, Trump. Doch wer, wie ich, seit vielen Jahren verfolgt, was unsere Zeitungen und Zeitschriften von ihm halten, was wir im Radio über ihn hören, was die Fernsehkorrepondenten von ihm berichten -  der muss seine Hoffnungen überprüfen.

Unser Problem ist exakt das von Steiner. Durch eigene Kraft ist Rettung nicht absehbar. Und wann Befreier kommen, wissen wir nicht.

 

Michael Molsner

 

 

 

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