Sonntag, 1. Mai 2022

Zum Feiertag der Arbeit

Mein Wort zum 1. Mai ist ein Zitat aus Martha Gellhorn, "The War in China". In einer Zusammenfassung ihrer Eindrücke von einer China-Reise 1940-41 schrieb sie fast zwanzig Jahre danach, 1959 in London: "Ich glaube nicht, dass China je eine Demokratie war oder in unserer Lebenszeit eine werden könnte. Wie denn auch? Für eine Demokratie, oder auch nur deren Vorspiegelung, muß ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung lesen und schreiben können, und frei kommunizieren - nicht nur gesprochen oder gedruckt, sondern auf Straße und Schiene, und der tägliche Kampf ums Überleben muß genug freie Zeit geben, um zu wählen. Sie denkt an ein Sechs-Punkte-Programm für China während der nächsten hundert Jahre (von 1959 an gerechnet!!): Sauberes Trinkwasser zumindest an ausgewiesenen "Tank"stellen, Zugang zu Kanalisation überall; kostenlose Abgabe von Pillen zur Geburtenkontrolle; und ein landwirtschaftliches Programm, das jenes Minimum von Reis garantiert, das alle Chinesen brauchen, um nicht zu verhungern. Ist all das erreicht, könnte eine allgemeine Krankenversorgung auf den Weg gebracht werden gegen Cholera, Typhus, Lepra, Amöbenruhr, Malaria. Danach müssten Schulen gebaut und mit Schülern bestückt werden. Und dann, aber wie weit liegt das in der Zukunft, könnte der Augenblick gekommen sein, über Demokratie zu sprechen. Und weiter: Ich fühlte, es bedeutete Verdammung schlechthin, Chinese zu sein, kein ärgeres Los könnte einem menschichen Wesen zugeteilt sein, als dort geboren zu sein und zu leben. Und schließlich: Sie taten mir alle leid, ich sah keine erträgliche Zukunft für sie und wollte nur noch entkommen. Soweit Gellhorn. Kann alles im englischen Originaltext nachgelesen werden, die Übersetzung ist von mir und wird gewiss ohne Nachsicht „verrissen“, wie ich es von Punky gewöhnt war. Er meint, er kann viel besser Englisch als ich. Jetzt mein Kommentar, für den ich noch viel weniger Nachsicht erwarten darf: Von diesen Programmpunkten haben die Chinesen etliche auf den Weg gebracht und teils sogar fast erreicht, und das in weniger als hundert Jahren. Unsere Grünen-Politiker halten das für inakzeptabel und wollen die Chinesen streng bestrafen (sanktionieren). Wir sind dabei - ob wir wollen oder nicht. Ich will es nicht, aber was kann ich tun?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen