Dienstag, 22. November 2016

Fünfundzwanzigster Brief

Wer ein Meinungsdiktat in Deutschland vermutet, hängt einer neurechten Einstellung an - meldet meine Lokalzeitung am heutigen 22.11.16. Naja, also in USA war es so:
Eine Liste der fünfzig bedeutendsten Tageszeitungen der USA ergibt, dass keine einzige die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten empfohlen hat. Einige wenige haben keine Empfehlung aussprechen wollen. Die meisten aber haben nachdrücklich Hillary Clinton empfohlen. Die Begründungen ähneln sich auffallend. Sie sind im Netz zu finden.
Und bei uns schreiben auch alle, die ich überblicke, das Gleiche. Von einem "Diktat" auszugehen, erscheint nicht ganz unsinnig, ist wohl eher ein "educated guess". Aber wer diktiert?! Dazu möchte ich einen der derzeit besten deutschen Journalisten zitieren. Es ist der Kulturkorrespondent Peter Richter. Er lebt in New York und hat während des Wahlkampfes brillant geschriebene Stimmungsbilder geliefert, sogenannte Features.
Wie er nach Trumps Wahlsieg in einem Tagebuch-Beitrag mitgeteilt hat, schwante ihm schon Wochen vor dem Ausgang, dass Trump gewinnen könnte und dass die Medien - besonders auch die deutschen - mit ihrer Voraussage eines Sieges für Hillary falsch lagen.
Und er hat es auch seinen Ressortchefs mitgeteilt, allerdings nur privat am Telefon. "Ruft sie an und fragt sie", scherzt er. "Nein, ruft nicht an, sie haben zu arbeiten."
Er meint die Ressortchefs für Außenpolitik und Kultur.
Weshalb wagte er es nicht, seinen Lesern mitzuteilen, was ihm schwante?  Er habe befürchten müssen, in Verruf zu geraten, schreibt er nach der Wahl. Man komme dann leicht in den Verdacht, sich durch abwegige Spekulationen interessant machen zu wollen. Oder noch schlimmer: ein Anhänger Trumps zu sein. Womöglich autoritär geprägt, denn er ist in der DDR aufgewachsen.
Da er weder das eine noch das andere riskieren mochte, blieb es bei privaten Telefonaten, und die Leser erfuhren nicht oder konnten allenfalls erraten, was ihr Amerika-Korrespondent für möglich hielt.

Zu alledem muss man wissen, dieser brillante Journalist veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung. Deren außenpolitisches Ressort wird von Stefan Kornelius geleitet, einem vielfach mit amerikanischen Thinktanks vernetzten Kollegen, siehe das Buch "Meinungsmacht" von Uwe Krüger. Das Kulturressort ist gelegentlich aufmüpfig und wird deshalb imstande sein, Richters Beiträge zu akzeptieren - aber nur dann, wenn er es nicht zu weit treibt. Denn die Süddeutsche wie auch unsere anderen großen Blätter sind überzeugt - wie mir scheint -, dass ein regime change in Moskau (und Peking!) mit allen, wirklich allen Mitteln anzustreben ist. Hillarys "hawkishness", ihre Bereitschaft zu militärischen Interventionen, stört dort nicht. Trumps Bereitschaft zur Verständigung hingegen erscheint skandalös. 
Diese letztere Haltung ist eigentlich nur zu begreifen, wenn Putin mit Adolf Hitler gleichgesetzt wird - was Clinton getan hat. Dann ist jede diplomatische Bemühung "Appeasement". Und wer so dumm ist, einen nach Weltherrschaft strebenden, machtbesessenen Diktator appeasen zu wollen, der wird genauso scheitern wie damals der britische Premier Chamberlain.
Die Schlussfolgerung ist also nur nachvollziehbar, wenn die Voraussetzung akzeptiert wird.
Diese wäre umso genauer zu überprüfen - was jedoch nicht geschieht. Von Beweisen für das sonderbare Narrativ habe ich noch nichts gesehen, Widerlegungen hingegen gibt es so viele, wie mein Arm lang ist.
Nützt nichts, das Narrativ wird unbewiesen und trotz vielfacher Widerlegung  übernommen.
Mit der Begründung, dass wir einen Menschheitsverbrecher "stoppen" müssen, werden wir seit Jahren auf einen Feldzug gegen Russland vorbereitet.
Es wäre der dritte Versuch deutscher Politiker, mithilfe ihrer Wirtschaftsmacht und ihrer Soldaten Russland unter Kontrolle zu bringen. Die Versuche sowohl unseres Kaisers wie unseres "Führers" sind gescheitert. Dass es diesmal gelingen würde, dafür stand Hillary. 
Hat gestanden, darf ich wohl hoffen. Der Krieg ist noch nicht vorbei, aber ein Weltkrieg findet nicht statt.    


  

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