Mittwoch, 6. Juli 2016

Zehnter Brief

Ein langjähriger Weggefährte hatte mich nach meiner Meinung zu einem Putin-Feature gefragt, das in einem unserer Sender gelaufen ist. Der Titel der Sendung, wie ich ihn verstand, hatte bereits deren Tendenz verraten. Ich antwortete:


Russia Today International (englisch) ist der  objektivste Sender, der mir bekannt ist. Die Talkshows sind hochklassig, die News umfassend. Im Gegensatz zu unseren Konzernmedien bringt RTI immer auch den anderen Standpunkt, die andere Sicht, und wir Empfänger können uns unsere eigene Meinung bilden. Das schätze ich sehr. Ich fühle mich respektiert.
Ganz anders unsere Konzernmedien, sie überschütten mich mit Propaganda und Polemik, ich soll nur denken, was mir eingetrichtert wird, und die Verachtung, die mir entgegengebracht wird, ist überdeutlich und grob beleidigend.
Heute sah ich die Schlagzeile der SZ: Der "Anstifter" des Brexit tritt zurück. Dagegen die FAZ: "Nigel Farage tritt zurück" - erfreulich sachlich. Was dahinter steckt, darf ich mir schon selbst denken.
Ich kenne keine deutsche Zeitung, die mich - den Leser - derart offen verachtet wie die SZ.
Außer meine Lokalzeitung nrz, und das ist noch die am wenigsten tendenziöse. Ich weiß nicht mehr, wo ich Lokalnachrichten beziehen kann, ohne dass mir mit dem poltischen Teil eine Anzeigenbeilage der Nato ins Haus kommt.
Ich weiß, du denkst anders, und argumentiere nicht, widerspreche auch nicht - ich will nur gesagt haben, damit es überhaupt gesagt ist: 
Zum dritten Mal in hundert Jahren stehen deutsche Panzer an Russlands Grenze.
Die Eroberung der Ukraine ist das Ziel - wie es Kaisers und Hitlers Ziel war. 

Ich kann nichts ändern, meine Argumente bedeuten nichts - noch nie in meinem Leben habe ich so deutlich gefühlt - vielmehr nachfühlen können - wie sich meine Väter und Großväter gefühlt haben müssen, als die Nazipropaganda aus den Volksempfängern dröhnte. Die Juden sind unser Unglück! Man weiß, das kann so nicht stimmen, was kann denn  Anne Frank dafür? Aber was soll man und was kann man tun?
Hilflos und stumm gemacht oder verlacht und denunziert und verachtet, wenn man spricht. Und sogar gefährdet, wenn man sich äußert.
Kauft nicht beim Russen! 
Gegen die Wucht dieser Propagandamaschine ist kein Aufkommen. 
Wir stehen vor Stalingrad. Nehmen wir es diesmal? Ich erlebe es hoffentlich nicht mehr.

Ich sollte das alles gar nicht schreiben, denn es hat keinen Sinn, keinerlei Wirkung, weder auf dich noch überhaupt. In meinem Blog poste ich "Briefe an Niemand".

Für diesen Blog füge ich jetzt ein P.S. hinzu:

Ich sei ein Putin-Versteher, hatte mein Mail-Partner gemeint. Wie üblich, ärgerte ich mich zuerst nur über die Formulierung, die das Verstehen denunziert, das doch seit der Wiederentdeckung der griechischen Antike zum vornehmsten Kennzeichen abendländischer Kultur geworden ist.
Inzwischen ist mir klar geworden, dass die Unterstellung, ich würde nur "Putin" verstehen wollen, mich und meine Intention grob unterschätzt. Selbstverständlich bemühe ich mich um Verständnis auch für andere derzeit wesentlichen politischen Interessen und ihren Zusammenhang! Ich will nicht etwa nur "Putin" - die russischen Interessen - richtig auffassen, auch die der USA, Chinas, Frankreichs und Englands! Die Zerstörung Afrikas und besonders die Nordafrika-Politik, etwa die Zerstörung Libyens, wären sonst unbegreiflich. Mich zu einem Putin-Versteher zu reduzieren, ist eigentlich eine - sagen wir - Unzartheit ;-)



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