Mittwoch, 27. April 2016

Educating Fritz

Ich erinnere mich an das Umerziehungsprogramm der Alliierten nach dem Sieg über Nazi-Deutschland. Es war durchaus anspruchsvoll und wollte vor allem junge Menschen an die vielen positiven Traditionen ihrer deutschen und der europäischen Geschichte erinnern. Doch in der flapsigen Alltagssprache wurde es EDUCATING FRITZ genannt. Wir Angehörigen der jungen Generation ließen es uns lachend gefallen. Weniger lustig finde ich, dass wir Alten heute unentwegt wieder und weiter von unseren Mainstream-Eliten erzogen werden, als wären wir, was wir nicht sind, alte Nazis. Eigenartiger Erziehungswahn!
Wir sollen lernen, dass Demokratie ein Staat ist, in dem Opposition gegen den Mainstream der politischen und publizistischen Eliten entweder als linkspopulistisch oder als rechtspopulistisch oder als lächerlich zu vermeiden ist. Da ich nun aber gelernt habe, oppositionelle Stellungnahmen als Anregung zur Überprüfung eigener Positionen zu begreifen, finde ich mich selbst in der unbehaglichen Rolle des Fritz wieder, der Demokratie erst noch lernen muss.
Die Amerikaner haben mir damals keine Beleidigungen zugemutet. Das Amerikahaus bot Lesegenuss mit Zane Grey und die Autobiografie von Benjamin Franklin. Der amerikanische Soldatensender AFN bot Bing und Elvis, Armstrong und Gene Autry. Und Hollywood - mein Gott, waren das beseligende Träume, wenn Errol Despoten besiegte und Bogart ihnen in Casablanca trotzte.
Ich habe es gewagt, mir über Anklagen gegen die AfD eigene Gedanken zu machen und mich in eine Sendung des WDR im Fernsehen einzuschalten. Da wurde Frauke Petry zitiert. Sie sagte, wir dürften uns Worte wie "Volk" nicht wegnehmen lassen, fast alle anderen Völker gebrauchten es.
Unser Mainstream hat offenbar Angst, so ein Wort würde den kleinen Nazi, den kleinen Fritz, in mir wecken. Andererseits fiel mir ein, was ich von den Amerikanern übernommen habe (außer Jeans und Selbstbewusstsein). Es ist das Bewusstsein, dass mir vom Schöpfer unwiderrufbare Rechte zugewiesen sind. Diese "heiligen Zeilen", wie ich sie gerne nenne, werden eingeleitet von einem Satz, in dem das Wort "Volk" vorkommt. Wenn im Verlauf menschlichen Verhaltens ein Volk sich genötigt sehe, die Bande zu einem anderen Volk zu lösen ...
Thomas Jefferson hat die Declaration of Independence verfasst. Ist er ein kleiner Nazi, weil er dieses Wort gebraucht?!
Ferner wurde in der WDR-Sendung ein Europa-Abgeordneter des Rechtspopulismus beschuldigt, weil er für ein Europa der Vaterländer wirbt. Hat das nicht auch Charles de Gaulle getan? Der hat die Nazis bekämpft!
Und auch er, erinnere ich mich, hat mich nicht als kleinen Fritz beleidigt, als ich ihn in München sprechen hörte. Ich stand in einer Menge von wohl zweihunderttausend und hörte ihn sagen, er sei spreche zu einem großen Volk ... wieder dieses Wort! 
Die Menge schien zu verstummen, schien es nicht glauben zu können. Da wiederholte er: Jawohl, einem großen Volk - und ein unbeschreiblicher Jubel brach los. Es war wie eine Befreiung, als hätte er die eisernen Bande gelöst, die wir um unser Herz gelegt hatten, damit es nicht zerspringt beim Gedanken an die furchtbaren Greuel, für die wir zu haften haben - weil wir ein Volk sind.
Auch er ein Böser, ein Rechtspopulist? Und Malraux, der ihn als Johanna von Orleans bezeichnete und der im spanischen Bürgerkrieg eine Flugzeugstaffel gründete und an der Seite der Antifaschisten in den Kampf führte - Rechtspopulist? Linkspopulist? Abweichler vom Mainstream ist er immer gewesen.
Das also sind nun meine Vorbilder - meine role models. Und das soll mich zu einem bösen, schlechten Menschen machen?
Ich verlange Information statt Polemik. Wie ich es gelernt habe.

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